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Wenn ich je nach etwas süchtig war und bin, dann auf Lesestoff.

Meine Freunde, die Bücher

26.03.2015

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Lesen zu lernen, das bedeutete für mich bei Schuleintritt aus drei mal zwei Punkten Kombinationen in der Braille-Schrift zu formen und daraus das Alphabet und schließlich Wörter und Sätze zu bilden. In meinem Kopf ist ein Schriftbild untrennbar mit diesem Punktmuster verknüpft, auch wenn ich normale Druckschrift gelernt habe und sie mir daher auch vorstellen kann.

Regal mit Braille-Büchern

Bildbeschreibung: Der Duden in Braille-Schrift umfasst 26 großformatige Bücher. Jedes ist 36 cm lang, 30 cm breit und zwischen 3 und 7 cm dick.

Ein großer Nachteil von Braille-Büchern ist deren Umfang. Die Bücher sind groß und schwer, und um ein Nachschlagewerk wie den Duden zu transportieren, braucht es keine Schultasche, sondern eher eine Spedition. Der hohe Materialaufwand und die relativ kleinen Auflagen machen die Produktion von Braille-Büchern auch sehr teuer. Daraus resultierend ist das Angebot, verglichen mit dem normalen Buchmarkt, auch stark reduziert, und die Titel erscheinen außerdem deutlich verzögert.

Trotz dieser Hürden war und bin ich eine echte Leseratte und werde nervös, wenn nicht genug interessanter Lesestoff greifbar ist.

"Gesundschrumpfung"

Wen wundert es unter dieser Perspektive, dass mich das rasant anwachsende Angebot an elektronischen Büchern in freudige Erregung versetzt. Ein soeben erschienenes Buch sofort lesen zu können, ist eine ganz neue Qualität; und das elektronische Buch braucht fast keinen Platz und kein Material. Es macht daher keinen Unterschied, ob ich zwei oder 20 Bücher in meinem Urlaubsgepäck habe.

Aber auch der elektronische Buchmarkt birgt für blinde Leser Tücken und Barrieren und ist einem Dschungel nicht unähnlich, durch den man sich erst mühsam den Weg bahnen muss. Um allen Bücherwürmern, Leseratten und anderen am Thema interessierten Bücherfreunden den Ein- und Überblick zu erleichtern, versuche ich einen Pfad durch das Dickicht an Buchformaten, Plattformen und Programmen zu schlagen, sodass auch blinde Leser auf ihre Kosten kommen können.

Die Sache mit dem Schlüssel

So wie wir unsere Wohnungen, Autos, Schreibtische und Koffer verschließen, um sie vor unbefugtem Zugriff zu schützen, so ist auch geistiges Eigentum vor Missbrauch geschützt. Bei eBooks verbirgt sich dieser Schutz hinter dem Begriff Digital Rights Management (digitale Rechteverwaltung), auch DRM. Am gebräuchlichsten ist der Schutz von Adobe. Auch Amazon und Apple haben je einen eigenen Schutzmechanismus und Bücher aus Online-Bibliotheken sind ebenfalls geschützt.

Um eBooks zu lesen, gibt es sehr viele Möglichkeiten. Da sind einmal die eigenständigen Reader, verschiedener Anbieter, Es gibt Apps für Smartphones und Tablets sowie Programme für Windows-PC und Mac. Wer gut sehen kann, hat die Qual der Wahl, wer nicht sehen kann, dem bleibt eine Handvoll Möglichkeiten, die hier vorgestellt werden.

eBook-Formate

Das gebräuchlichste Format für eBooks hat die Erweiterung .epub. Dabei handelt es sich um ein Archiv, vergleichbar mit einer Zip-Datei, wobei jedoch die Inhalte einer bestimmten Struktur folgen, mit der wir uns hier nicht beschäftigen möchten. Epub-Bücher können mit DRM-Schutz versehen oder auch frei verfügbar sein. In der Regel handelt es sich um den DRM-Schutz von Adobe oder von Apple. Andere Schutzmechanismen werden zu Gunsten der Übersichtlichkeit vernachlässigt.

Wichtig zu wissen ist jedoch, dass Bücher mit dem Schutz von Adobe an PC und Mac mit der Adobe Digital Edition (ab Version 2.0) auch mit Screen Readern gelesen werden können und dafür eine Adobe ID eingerichtet werden muss.

Für die bei Apple gekauften Epub-Bücher benötigt man das Programm iBooks von Apple, das es sowohl für den Mac als auch für mobile Geräte mit dem Betriebssystem iOS gibt.

eBooks mit der Endung .mobi oder .azw sind dem Epub vergleichbare Formate und mit dem DRM von Amazon versehen. Blinde Leser benötigen hierfür die Kindle-App für Android oder iOS. Kindle für PC oder Mac ist mit Screen Readern leider nur für die Verwaltung der Bücher, nicht jedoch zum Lesen derselben nutzbar.

Ebenfalls weit verbreitet sind eBooks mit der Erweiterung .pdf. Vor allem Zeitschriften und Magazine, aber oft auch Bücher werden in diesem Format angeboten.

Zum Lesen von PDFs unter Windows wird der Adobe Acrobat Reader benötigt. Am Mac zeigt der Adobe Reader leider keinen Text an. Blinde Nutzer können daher auf den Inhalt nur zugreifen, wenn sich der Text exportieren lässt.

"Sonderfall" Öffentliche Bibliotheken

Die folgenden Recherchen basieren auf den öffentlichen Bibliotheken in Österreich. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, einen Blick in die FAQs und AGBs der jeweils genutzten Bibliothek zu werfen, um sich über abweichende Vorgangsweisen zu informieren.

Bücher

Für die Ausleihe von eBooks bei öffentlichen Bibliotheken sind ein gültiger Bibliotheksausweis und ebenfalls eine Adobe-ID sowie die Installation der Adobe Digital Edition (ab Version 2.0) für PC oder Mac zum Lesen von Büchern im Format .epub erforderlich (siehe oben). Meist erhält man für den Download nicht das eigentliche Epub-Buch, sondern eine Verknüpfung mit der Erweiterung .ascm. Wird diese angeklickt, öffnet sich die Adobe Digital Edition und das Buch kann gelesen werden. Nach Ende der Leihfrist ist das eBook nicht mehr nutzbar. Eine Rückgabe des entlehnten Werks erübrigt sich daher.

Auf Smartphones können eBooks mit der App Onleihe aus Bibliotheken entlehnt und verwaltet werden; es gibt sie für iOS und Android. Die App ist sowohl mit Talkback als auch VoiceOver nutzbar, dient jedoch nicht zum Lesen, sondern nur zum Verwalten von entlehnten Werken.

So wie auf iOS-Geräten bei Apple gekaufte elektronische Bücher ausschließlich mit der App iBooks und digitale Bücher von Amazon nur mit der Kindle-App gelesen werden können, wird zum Lesen entlehnter eBooks mit der Erweiterung .epub zwingend der Bluefire Reader benötigt. In diesem kann derzeit mit VoiceOver wohl die Struktur des Buches, nicht jedoch der eigentliche Text gelesen werden. Eine Behebung dieses Problems könnte in der nächsten Version der App erfolgen. Im Moment können entlehnte eBooks auf iOS-Geräten mit VoiceOver jedoch nicht gelesen werden.

Um entlehnte Epub-Bücher auf Smartphones oder Tablets mit dem Betriebssystem Android zu lesen, wird entweder Aldiko-Reader, Aldiko Reader Premium oder Bluefire Reader benötigt. auch hier gilt, dass die Texte von Talkback nicht vorgelesen werden.

Zeitschriften

Zeitschriften werden in Bibliotheken meist als PDF angeboten und können während der Verleihdauer ausschließlich im Adobe Acrobat Reader auf PC und Mac gelesen werden. Auch hier lässt sich das Dokument nach Ende der Leihfrist nicht mehr öffnen.

Auch nach zahlreichen Versuchen ist es mir nicht gelungen, entlehnte PDF-Dateien in ein anderes Programm oder in Apps auf Android- und iOS-Geräten erfolgreich zu importieren.

Status quo

sowohl eBooks im Format .epub als auch Zeitschriften im Format .pdf können bei Nutzung eines Screen Readers ausschließlich am PC oder Mac, nicht jedoch auf Smartphones oder Tablets gelesen werden.

"Freie" Bücher

Ist ein eBook nicht mit Kopierschutz versehen, so besteht die Möglichkeit es in ein beliebiges Format umzuwandeln. dieses kann dann auch mit jedem Texteditor oder einer App am Smartphone gelesen werden. Zum Umwandeln von eBooks kann zum Beispiel das Programm Stanza verwendet werden. Viele nützliche Tools zu diesem Thema finden sich auch auf www.ebook-converter.com.

Nicht geschützte PDFs können unter windows mit dem Adobe Reader, am Mac mit Vorschau gelesen werden.

Ein echter Alleskönner

Wenn es um das Lesen von freien eBooks auf iOS-Geräten geht, kommt ein Bücherwurm vermutlich an der App Voice Dream Reader nicht vorbei. Damit lassen sich so gut wie alle ungeschützten Formate lesen. Neben .txt, .rtf und .doc — um einige Textformate zu nennen — verarbeitet der Voice Dream Reader auch HTML-Dokumente, die üblichen eBook-Formate wie .epub, .mobi, .azw und .pdf und sogar Daisy-Bücher, also navigierbaren Text und Audio kombiniert. Die App kann auf die Bibliothek von Gutenberg und auf Online-speicher wie die Dropbox zugreifen und bietet auch die Möglichkeit, zusätzliche Stimmen für kleines Geld zuzukaufen.

Dschungelführung

In Anbetracht des äußerst komplexen und unübersichtlichen elektronischen Lese­dschungels kann dieser kleine Wegweiser nicht mehr sein als der Versuch, sich dem Thema digitales Buch von vielen Seiten her zu nähern. Ich bin noch keineswegs in alle Tiefen vorgedrungen und suche selbst gelegentlich nach dem am wenigsten mit Barrieren behafteten Zugang. DRM-geschützter Lesestoff und Screen Reader, auf welcher Plattform auch immer, ist eine problematische Konstellation. Denn was am Bildschirm oft wie lesbarer Text aussieht, wird oft genug von Sprachausgabe und Braille-Zeile einfach nicht erkannt. Das eine Mal stehen Schutzmechanismen dem Lesegenuss im Wege, ein anderes Mal sind es unzureichend programmierte Anwendungen.

Bevor sich daher jemand aus meinem bibliophilen Publikum die Haare rauft, bin ich gern bereit, Fragen so gut ich kann zu beantworten und meine Erfahrungen per E-Mail zu teilen.

Wenn Träume wahr werden

es ist noch keine 10 Jahre her, als mich eine Bekannte, ebenfalls eine Buch-Liebhaberin, gefragt hat, welchen bisher unerfüllten Wunsch ich hätte. Ganz spontan habe ich damals geantwortet: "Ich würde so gerne einige Stunden in einer Buchhandlung verbringen und ein Buch nach dem anderen in die Hand nehmen und ein paar Sätze lesen, um zu sehen, ob es mir gefällt." Sie antwortete ebenso spontan: "Dann machen wir das doch!". Und so geschah es. Ich durfte nach dem Titel entscheiden, was ich hören wollte und ich durfte sagen, wann es Zeit für das nächste Buch wird. Es waren wirklich einige Stunden und ich glaube, wir waren beide hinterher sehr müde. Für mich, die sonst kaum in ein Buch hineinlesen konnte, war das ein unglaublich großes Geschenk.

Und heute? Heute kann ich selbst nach Herzenslust stöbern, kann nach Titeln und Autoren suchen, mir Leseproben herunterladen und finde immer wieder auch das eine oder andere Schnäppchen. Man glaubt gar nicht, wie viele Gratis-eBooks es gibt.

Durch das eBook hat sich einer meiner Träume erfüllt. Ich scanne nur noch ganz selten ein Buch ein und mir wird ganz sicher der Lesestoff nie mehr ausgehen.

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