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Warum bloß entwickeln sich manchmal ganz natürliche Bedürfnisse zum echten Problem?

Herbergsuche im 3. Jahrtausend-

10.01.2010

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Eine junge Frau - nennen wir sie Romana -, seit ihrer Kindheit blind, mit eigener Wohnung und Fulltime-Job, rafft sich im Winter auf, endlich wieder etwas für ihre Fitness zu tun.

Nun ist das gar nicht so einfach, denn die meisten Sportarten kann man blind nicht alleine Ausüben, wie joggen, Rad fahren, scaten und dergleichen. Ballspiele jeglicher Art sind auch nicht gerade der Hammer.

Hat man also keine Begleitung und möchte zeitlich unabhängig sein, dann liegt es nahe sich an ein Fitness-Studio zu wenden. Zwar ist dort die Luft nicht so gut wie in der freien Natur, aber dafür gibt es gezielte Trainingsmaßnahmen.

So weit die Theorie.

Also macht sich Romana mit ihrem Screen Reader auf die Suche im Internet, findet etliche Fitness-Studios, die auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sind, macht sich schlau, wie sie hinkommt und begibt sich auf die Reise durch Wien.

Aber genau wie die Heilige Familie schon vor 2000 Jahren pocht sie vergeblich an die Herbergstüren und hört sich zuerst geduldig, dann immer frustrierter die Argumente an, warum man ihren Wunsch nach Training in einem Fitness-Studio nicht erfüllen kann:

"Blinde Menschen dürfen nur mit Begleitung trainieren." - Romana traut ihren Ohren kaum. Hätte sie eine Begleitung, würde sie wohl kaum ins Fitness-Studio gehen, sondern draußen im Freien trainieren. Also ab zur nächsten Station; die Liste ist schließlich noch lang.

"Wir können im Verletzungsfall keine Verantwortung übernehmen." - Das hat auch niemand verlangt. Wer seinen Haushalt führen und sein Geld selbst verdienen muss, sollte wohl auch in der Lage sein, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.

"Sie können bei uns schon trainieren, aber nur mit einem unserer Trainer." - Bezahlt, versteht sich. Da kämen aber erhebliche Mehrkosten auf Romana zu. Also pilgert sie weiter, denn so rasch gibt sie nicht auf. Vielleicht macht auch pilgern ein wenig fit.

"Sie können ja leider die Geräte gar nicht bedienen." - Logisch, wenn sich niemand die Mühe macht, sie einzuweisen. Das müsste sich bei gutem Willen und gegen Bezahlung leicht regeln lassen. Abgucken geht ja wohl schlecht.

Es kommt, wie es kommen muss: Irgendwann gibt Romana doch auf.

Sie ist trotzdem jetzt etwas fitter: Sie hat zahlreiche unbekannte Wege zu Fitness-Studios allein bewältigt, was ja sehr gesund ist und kann sogar andere beraten, wo es welche gibt. Um ihren Kreislauf in Schwung zu halten, kann sie zusätzlich in ihrer kleinen Wohnung wütend auf und ab rennen.

Aber ob Frustration und Wut der Fitness zuträglich sind, bezweifle ich stark.

Und darum ist Romanas Frustration auch die meine - und jetzt vielleicht ein klein wenig auch die Ihre.

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1 Kommentar

  1. Karen schrieb am Dienstag, 16.03.10 22:15 Uhr:

    Das ist ja wirklich unglaublich!
    Frustriert bin ich zwar nicht, aber empört ...
    und belustigt bei der Vorstellung wie Romana durch ihre Wohnung tigert.
    Ihr Blog ist wirklich witzig und informativ.

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