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Naturgemäß bevorzuge ich digitale Daten gegenüber bedrucktem Papier. - Aber digital ist eben nicht immer gleichbedeutend mit nutzbar.

Im digitalen Zeitalter

03.03.2010

Zu den (4) Kommentaren

Ich behaupte immer, mein Mann Hannes ist trotz seiner starken Sehbehinderung ein "lebendes geografisches Lexikon" ist. Er nutzt daher gerne und häfig Planmaterial und Nachschlagewerke. Jedes Jahr kauft er sich (um 6 Euro) den 1109 Seiten umfassenden Fahrplan des Verkehrsverbunds Ostregion (VOR), das ihm zusammen mit seinen Lesegeräten und Lupen ein unersetzliches Hilfsmittel ist, wenn es darum geht, Straßenbahn-, Bus- oder Bahn-Verbindungen für uns oder unsere Gäste (oder auch Hilfesuchende) nachzuschlagen.

Fortschritt Digitalisierung

Als Hannes heuer den Buchplan wieder kaufen will, erfährt er, dass es diesen nicht mehr auf Papier, sondern nur noch auf CD-ROM gibt - ebenfalls um 6 Euro. Ein wenig enttäuscht bringt er die CD nach Hause und legt sie etwas frustriert, jedoch in der Hoffnung neben meinen PC, dass wenigstens ich den Fahrplan nun endlich selbst nutzen kann.

Ran an die Daten

Erfreut nehme ich die CD an mich. Die Papierversion ist für mich ja ohnehin völlig nutzlos, während ich mit meinem Screen Reader schon so manches Nachschlagewerk auf CD-ROM nutze. Warum also nicht auch dieses?

Wie erwartet, startet die CD automatisch, und zwar den Standard-Browser. Das sieht schon mal vielversprechend aus. Ich tabbe mich rasch durch die korrekt beschrifteten Links und wähle für meinen ersten Test die "Badner Bahn" aus, weil es sich dabei um nur eine einzige Linie handelt, also einen übersichtlichen Bereich.

Die erste Enttäuschung

Als nach Klick auf den Link mein System kurz "einfriert" und sich danach die Sprachausgabe stotternd mit dem Updater Des Adobe Readers meldet, schwant mir bereits Böses, und meine anfängliche Euphorie erleidet einen empfindlichen Dämpfer.

Aber so rasch bin ich nicht zu entmutigen. Ich schließe vorerst das Dokument, lasse den Adobe arbeiten (es ist ohnehin an der Zeit, die längst fälligen Updates zu machen) und öffne das Dokument erneut.

Warten - worauf nur?

Mein Screen Reader informiert mich, dass das Dokument 7 Seiten hat, also eine "leicht verdauliche" Menge. Die nächste Nachricht senkt mein Stimmungsbarometer neuerlich um etliche Stufen. Denn ich erfahre, dass es sich um ein Dokument ohne Tags handelt.

Das Vorbereiten des Dokuments dauert, gemessen an den 7 Seiten, schrecklich lang. Mein Hilfsmittel rührt sich nicht mehr, das ganze System friert wieder ein (das ist auch nach einem späteren Test mit einem anderen Screen Reader so).

Als ich endlich Text unter meinen Fingern auf der Braille-Zeile habe und die Sprachausgabe aus ihrem Koma erwacht, sprechen zwei Stimmen gleichzeitig: Die Sprachausgabe quasselt mir die ersten Zeilen vor und Hannes merkt an, dass er "gar nichts lesen kann", obwohl ich vorher den Reader für ihn optimiert habe, so gut ich es eben vermag.

Bestandsaufnahme

Kurz zusammen gefasst: Hannes kann auf dem Bildschirm den Fahrplan nicht nutzen, auch nicht durch meine Unterstützung. Ich kann das Dokument wohl lesen, aber nicht vernünftig darin navigieren. Wir benötigen also eine Ersatzlösung.

Die letzte Hoffnung in solchen Fällen ist immer die Ausgabe als reiner Text. Dabei geht zwar jegliche Struktur verloren, aber mit ein wenig Glück und ein paar kleinen Zusatz-Programmen, die auf meinem PC schlummern, lässt sich "Basis-Struktur" (beispielsweise das Ersetzen mehrerer Lehrzeilen mit einer Überschrift) "erzwingen".

Erschwerte Voraussetzungen

Fahrpläne sind in jedem Fall tabellarisch aufgebaut, und das ist auch korrekt so. Aus dieser Tabelle ist z.B. optisch klar ersichtlich, ob ein Zug die ganze Strecke bedient oder kurz geführt wird, weil bei der Station die Zeitspalte leer bleibt, wenn der Zug dort nicht hinkommt. Denkt man sich den Leerraum zwischen den Spalten weg und rückt sozusagen alle Zeitangaben aneinander, so kann es vorkommen, dass in einer Zeile 11, in den beiden nächsten Zeilen aber 16 Zeiten stehen. Korrekt untereinander gesetzt, ergibt das ein deutliches Bild, "verschwinden" die Abstände, weiß ich nicht mehr, zu welchem Zug die Zeit gehört.

Machen wir es an einem Beispiel fest.

3-zeiliger Auszug aus dem Fahrplan

Die Grafik dient lediglich zur Verdeutlichung der optischen Darstellung. Hier zur besseren Lesbarkeit die ganze Seite als PDF (36 KB).

Aus der optischen Darstellung geht eindeutig hervor, welche Zeiten zusammen und damit zum selben Zug gehören, da sie vertikal genau untereinander stehen. Dieser Zusammenhang geht bei der Umwandlung in Text komplett verloren, wie die folgende Liste zeigt.

Erläuterung zur Liste

Ich habe am Beginn jeder der drei Beispiel-Zeilen in Klammern die Anzahl der Zeitangaben eingefügt, um die Situation ein wenig deutlicher zu machen.

Anmerkung

Wie sich aus der Anzahl der Zeitangaben ablesen lässt, werden ab der Station Wolfganggasse um fünf Züge mehr geführt als in der Station davor. Das lässt sich nur herausfinden, wenn man die Zeitangaben miteinander vergleicht.

Auf diese Art einen Fahrplan lesen und auch noch verstehen zu müssen, halte ich für völlig unzumutbar. Das taugt aus meiner Sicht eher für ein Zahlenrätsel.

Die Textversion ist also auch nach etlichen Formatierungsversuchen nahezu nutzlos. Zwar lassen sich die Abfahrtszeiten noch feststellen, aber das Herausfinden der Ankunftszeit ist eher Glückssache. Unter diesem Aspekt habe ich meine Erforschung auch nicht weiter ausgedehnt.

Traurige Bilanz

Die Situation stellt sich für uns also wie folgt dar:

2009

Hannes konnte mit seinem Lesegerät den Fahrplan in vollem Umfang nutzen.

Ich selbst hatte keinen Zugang zu diesem Werkzeug, konnte (und kann) aber bei Beddarf auf die Online-Version zugreifen. Da diese alles andere als barrierefrei war und ist, brauche ich nicht zu erwähnen, dass ich den bequemeren Weg wählte und das Nachschlagen bisher Hannes überließ. :)

2010

Hannes kann die neue Version überhaupt nicht nutzen, weil er kein PC-Nutzer ist. Aber selbst mit meiner Unterstützung sind wir momentan nicht in der Lage, das Dokument am Bildschirm so darzustellen, dass wir Verbindungen heraussuchen können.

Ich selbst kann wohl auf das reine Daten-Material zugreifen, es aber nicht sinnvoll nutzen, weil man es verabsäumt hat, die Daten so zu strukturieren, dass ich mit meinem Hilfsmittel Zugriff auf diese Struktur habe.

Und ich muss zur Kenntnis nehmen, dass ich mich künftig selbst um Straßenbahn- oder Zug-Verbindungen kümmern muss, und zwar online! Es ist also allerhöchste Zeit, dass dort Barrierefreiheit nicht irgendwann halbherzig nachgerüstet wird, sondern möglichst umgehend in eine Neuplanung einfließt.

Bis es so weit ist, benötige ich jedenfalls eine Bedienungsanleitung, um mich durch den Dschungel zu leiten.

Des einen Leid, des anderen Freud

Obwohl wir zu Hause jetzt keinen vernünftigen Fahrplan mehr haben, dürfte die neue CD dennoch vielen Menschen helfen. Ich übersehe keineswegs, dass das verwendete PDF auch seine Vorteile hat. Wer sehr schlecht oder gar nicht sieht, hat bei der gewählten Gestaltung jedoch im wahrsten Sinne des Wortes das Nachsehen.

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4 Kommentare

  1. Fritz schrieb am Montag, 08.03.10 15:08 Uhr:

    Hallo Eva,

    da es auf http://www.wai-austria.at/aktuelles/1003 03_fahrplan.php (noch) keine Kommentarfunktion gibt, eben hier:

    Es gibt einen mobilen Dienst von VOR: http://www.qando.at/
    Und weil vermutlich auch diese Seite "optimiert für Mausschubser" ist, hier die Adresse der Downloadseite: http://www.qando.at/download.ft

    Ob du zur Bedienung der mobilen Version dann auf dem Handy doch eine Maus installieren musst? *grins*

    PS: die VOR-Menüs kann ich mit der Maus bedienen, wenn ich CSS ausschalte. Ich hab mir zu diesem Zweck eine Tastaturkombi eingerichtet (ich glaub, das macht die Web Developer Extension)

    PPS: wär cool, wenn man hier im Kommentar Links posten könnte.

  2. Fritz schrieb am Montag, 08.03.10 15:15 Uhr:

    Nachtrag:
    Sie können die Website http://m.qando.at direkt im Internetbrowser Ihres Mobiltelefons aufrufen. Laden Sie die Applikation auf Ihr Handy und erlauben Sie die Installation.

  3. Eva schrieb am Dienstag, 09.03.10 09:26 Uhr:

    Hallo Fritz
    danke für deine wie immer hilfreichen Kommentare.

    Nach einem längeren Rundgang auf den qando-Seiten weiß ich, dass ich derzeit die mobile Version nicht nutzen kann. Sie läuft wohl auf Blackberry, iPhone und Geräten mit dem Betriebssystem Windows Mobile, nicht jedoch auf Symbian-Geräten - und ein solches habe ich (noch).

    Also erweist sich auch diese Möglichkeit wenigstens vorläufig als Sackgasse.

    Zum PS:
    Nein, ich wünsche mir nicht, auch (aktivierbare) Links in den Kommentar einfügen zu können. Ein Kommentar ist ein Kommentar. und mein Sicherheitsdenken höher als der Wunsch nach Komfort. :)

    Als Seitenbetreiber steht es mir frei, Links, die den Leser weiter bringen, bei Bedarf in den Artikeltext zu übernehmen.

    Angesichts des Beitrags-Themas wären eher Sprachauszeichnungen angebracht. :)

  4. Fritz schrieb am Dienstag, 09.03.10 17:23 Uhr:

    Hallo Eva,

    Auf http://www.qando.at/faq.ft finde ich eine Liste unterstützter Geräte:
    Dort unter anderem:

    Nokia

    5000
    5800
    6120
    6233
    6280
    6288
    6300
    6210 Naviator
    6220 Navi Edition
    6230i
    E50
    E55
    E61
    E65
    E71
    N70
    N71
    N73
    N95
    N97


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