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An einen Schutzengel ...

Zivil-Courage

03.11.2010

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Ich stehe in der Haltestelle der Straßenbahn. Plötzlich kreischen Autobremsen, und ich spüre, wie sich meine Schultern verkrampfen in Erwartung des typischen dumpfen Aufpralls, gefolgt vom Klirren splitternden Glases.

Erleichtert atme ich auf, als das gefürchtete Finale solch heftiger Bremsmanöver ausbleibt und ich nichts weiter zu hören bekomme als zwei erregte, zornige Stimmen. Es scheint niemand zu Schaden gekommen zu sein - höchstens das Blech.

Dejà vu

In solchen Momenten wandern meine Gedanken häufig zurück zu jenem Tag vor nun schon mehr als 30 Jahren. Ich war auf dem Weg nach Hause, und es war bereits dunkel. Die Straßenlaternen brannten schon - für mich die beste Zeit, zu der ich mein geringes Sehvermögen am besten Nutzen konnte. Jetzt konnte ich die beleuchteten Nummernschilder von Straßenbahnen und Bussen ebenso erkennen wie das Rot und Grün von Verkehrsampeln, wenn ich nur an der richtigen Stelle stand.

Ungeduldig postierte ich mich direkt am Rand des Bürgersteigs und fixierte die Ampel auf der gegenüber liegenden Straßenseite, bereit, sofort loszulaufen, sobald das Licht von Rot auf Grün sprang.

Ich war voll auf die Ampel konzentriert, und das dröhnende Motorengeräusch in meiner unmittelbaren Nähe drang wohl in meine Ohren, nicht aber in mein Bewusstsein. Und dann ging alles sehr schnell: Zwei kräftige Arme umfassten mich mit einem harten Griff um die Schultern, und im nächsten Augenblick landete ich ziemlich unsanft an der Hausmauer.

Zuerst war ich so benommen, dass ich gar nichts begriff. Erst als sich der Griff langsam lockerte, registrierte ich den großen dunkelhaarigen Mann, der jetzt, genau wie ich, zu zittern begann. Sowohl seine als auch meine Hand blutete ein wenig, wo wir an dem rauen Verputz des Hauses entlang gescheuert waren, aber wir merkten es gar nicht.

Ohne Zweifel war er ebenso schockiert wie ich, und es dauerte eine Weile, bis mir die Situation klar wurde: Unmittelbar neben uns fuhr ein riesiger Lastwagen mit Anhänger vorbei, und zwar schräg über die Ecke des Bürgersteigs und damit ungefähr über jene Stelle, an der ich noch kurz zuvor gestanden hatte.

Mein Beschützer stammelte eine Entschuldigung wegen seines heftigen Zupackens und ich einen vagen Dank für sein Eingreifen. Und als wir uns beide wieder etwas beruhigt hatten, gingen wir einfach wieder unserer Wege.

In Anbetracht des erlittenen Schocks habe ich damals meinem Retter ganz sicher nicht angemessen gedankt, und später hatte ich keine Gelegenheit mehr dazu. Ich wusste ja nicht einmal seinen Namen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn der Unbekannte nicht zufällig zur selben Zeit an jener Kreuzung gestanden und nicht so beherzt reagiert hätte.

Damals hatte ich einen Schutzengel, an den ich voll Dankbarkeit auch heute im dichten Verkehrstreiben der Großstadt sehr oft denke.

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