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Warum nicht ein wenig träumen?

Schneetreiben

15.12.2010

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Ein typisches scharrendes Geräusch holte mich heute gegen 4.30 Uhr aus dem Schlaf: Das leise Brummen eines Schneepflugs.

In der Großstadt hat der Schnee für viele etwas von einem Schreckgespenst: Staus in den Straßen, verspätete Verkehrsmittel und nervöse und ungeduldige Menschen, die sich in ihrem normalen Rhythmus gestört fühlen.

Ganz früh am Morgen, wenn zwar die Hauptwege schon frei geschaufelt sind, es auf den Straßen jedoch noch relativ ruhig ist und die Hektik noch schläft, wirkt das Schneegestöber jedoch beinahe idyllisch. Vor dem Haus wate ich durch einen fast knietiefen Wall, den der Pflug aufgeschüttet hat. Der Schnee ist weich wie Watte und die Stadt wirkt, als hätte jemand ein Tuch über sie gebreitet: Die Absätze der Passanten klappern nicht auf den Gehsteigen und die Autos klingen, als würden sie beinahe schweben.

Diese Romantik zerplatzt freilich wie eine Seifenblase, wenn ich gezwungen bin, mir meinen Weg zu suchen, aber bereits in der Straßenbahn, wo es mollig warm ist, wandern meine Gedanken zurück an den Samstag vor nun fast zwei Wochen und unseren Friedhofbesuch in einer beinahe unberührten Schneelandschaft.

Die Straßen waren schneebedeckt, aber glatt gewalzt und das Friedhofstor ließ sich problemlos öffnen. Auch die Hauptwege waren breit genug für zwei Personen, links und rechts davon türmte sich allerdings der Schnee und bedeckte nicht nur die Gräber, sondern großteils auch die Grabsteine. "Irgendwo hier" musste das Grab meiner Eltern sein, aber alles war mit Schnee bedeckt, nein eher verdeckt.

Und so watete ich einfach durch den Pulverschnee, der mir bis weit über die Knie reichte und befreite mit meinen behandschuhten Händen den Grabstein, zog schließlich den rechten Handschuh aus und befühlte die Grablaterne. Fehlanzeige.

Also wanderten wir zum nächsten Grab weiter, und ich startete die Prozedur von Neuem, diesmal mit Erfolg. Jetzt musste ich noch die Grablaterne vom Schnee befreien. Im Schutz des Grabsteins zündete ich ein Streichholz an und damit die mitgebrachte Kerze, die ich in die Laterne stellte. Wir waren, soweit ich weiß, die einzigen Besucher und erst nach einer ganzen Weile unterbrach ein Weihnachtslied der Turmbläser die Stille des späten Abends.

"... Endstation, bitte alle aussteigen", informiert mich das Tonband und ich bahne mir, diesmal wieder bar jeder Romantik, meinen Weg durch den frisch gefallenen Schnee, der Beton und Grünflächen vereinheitlicht. Und während sich Flocke um Flocke auf meinen Schal setzt, träume ich wie ein Kind von weißen Weihnachten, die es laut Meteorologen heuer wieder nicht geben wird, auch wenn jetzt alles tief verschneit ist.

Aber was wäre unser Leben denn ohne Träume?

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