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Mehr Selbstständigkeit bedeutet auch mehr Lebensqualität.

Nur Bares ist Wahres

22.10.2011

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Noch vor kurzem habe ich mich darüber beklagt, dass es in Österreich nur zwei Geldausgabeautomaten mit Sprachausgabe gibt und ich kaum eine Möglichkeit habe, ohne fremde Hilfe an Bargeld zu kommen, mein Geld also vor mir sicher ist. Geldtransaktionen wie Überweisungen kann ich zum Glück dank Online-Banking schon länger selbstständig durchführen. Eines der wichtigsten Puzzle-Teile fehlte aber bisher: Die Möglichkeit selbstständig Bargeld zu beheben.

Seit 14. Oktober 2011 ist meine Klage über die diesbezügliche Rückschrittlichkeit Österreichs Geschichte. Die Erste Bank ist die erste Bank in Österreich, die flächendeckend Bankomaten mit Kopfhöreranschluss, taktil gekennzeichneter Tastatur und Sprachausgabe aufrüstet, damit auch blinde und stark sehbehinderte Menschen eigenständig Geld beheben können.

Eine gut verständliche weibliche Stimme führt durch alle Menüs und spricht, was auf dem Bildschirm zu lesen ist. Natürlich nicht über Lautsprecher, sondern einen mitgebrachten Kopfhörer. Wer diesen zu Hause vergisst, erhält leihweise einen solchen bei der Bankfiliale, wo auch Mitarbeiter gerne für eine kurze Einführung in das System zur Verfügung stehen.

Ein gut durchdachtes Projekt

Gruppenfoto bei Bargeldbehebung

Bildbeschreibung: Eine Gruppe von Personen beobachtet die Bargeldbehebung im Foyer der Erste Bank, während ein Kameramann von ORF Wien die Szene filmt. Die Personen sind nur von hinten bzw. schräg hinten zu sehen.
Ausstrahlung des Beitrags in der Sendung "Wien heute" am 14.10.2011
Bild: Mag. Martin Tree, PR-Referent des Wiener Blindenverbandes.

Vier Jahre lang hat sich die Bank mit dem Thema sprechende Bankomaten insgesamt auseinandergesetzt, neun Monate davon hat die technische Umsetzung gedauert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Bis Ende 2011 wird mindestens je ein Selbstbedienungsgerät pro Foyer der Erste Bank mit Kopfhörerbuchse und taktil gekennzeichneter Gerätetastatur ausgerüstet sein. Insgesamt sind das 246 Selbstbedienungsgeräte in 140 Foyers; weitere ungefähr 60 Geräte folgen 2012. Mit Sprachführung unterstützte Transaktionen sind vorerst die Geldbehebung sowie die Abfrage des Kontostandes von bis zu vier Konten.
Da in manchen Foyers mehrere Geldausgabeautomaten stehen, von denen nur eines umgerüstet wird, sieht das Gesamtkonzept dort, wo es notwendig ist, auch ein tastbares Bodenleitsystem vor, ähnlich wie auf den Bahnsteigen der Wiener U-Bahn, damit blinde Menschen zum richtigen Gerät geführt werden.

Seit kurzem bietet die Erste Bank blinden Kunden auch eine Bankomatkarte mit Braille-Schrift an. Damit kann die Karte nicht nur von anderen eindeutig unterschieden werden, sondern der Schriftzug EBS dient auch gleich als "Pfeil" für die richtige Einsteckrichtung an den Geräten.

Hinter den Kulissen

Während der technischen Umsetzung hat die Erste Bank blinde Testpersonen konsultiert, um sowohl die Sprachausgabe zu optimieren als auch die verschiedenen Transaktionsabläufe durchzuspielen. Dazu gehört nicht nur die Sprachführung durch alle Bildschirme, sondern auch das Verhalten des Geräts im Fall eines Fehlers - etwa bei falschen Eingaben oder technischen Störungen.

Die Ergebnisse der verschiedenen Testläufe wurden protokolliert und Hinweise zur Verbesserung aufgegriffen und umgesetzt, wie etwa der Wunsch, optional die Menüführung ausschließlich via Sprachausgabe durchzuführen und den Bildschirm abzudunkeln.

Aus persönlicher Sicht

Ich habe schon früher öfter bei Geldausgabeautomaten Bargeld behoben - auch ohne Sicht auf den Bildschirm. In mühsamer Kleinarbeit habe ich mir Abläufe gemerkt und Wartezeiten zwischen dem Wechsel der verschiedenen Anzeigen eingeprägt, um sozusagen blind durch die Transaktion zu stolpern. Mehr als einmal wurde meine Karte eingezogen. Etwa dann, wenn ich mit dem Eintippen meines persönlichen Codes zu früh begonnen hatte und die 1. Ziffer daher nicht an die Zentrale übermittelt wurde. Alle weiteren Eingaben über die Zifferntastatur wurden als weiterer Versuch der Code-Eingabe gewertet. Die Aktion endete wegen mehrerer ungültiger Code-Eingaben mit dem Verschwinden meiner Karte in den Tiefen des Tresors, was eine Wiederbeschaffung mittels Vorlage meines Reisepasses bei der Bankfiliale erforderlich machte.

Damit ist es nun vorbei: Die synthetische Stimme führt mich vom Einstecken des Kopfhörers bis zum Entnehmen des Geldes Schritt für Schritt sicher durch den Ablauf.

Dank der Vorreiterrolle der Erste Bank ist auch für blinde Menschen endlich möglich, was für die meisten längst zur alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden ist: Die eigenständige Behebung von Bargeld an einem Bankomaten.

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