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Rückschläge sind immer schmerzlich, vor allem dann, wenn ein Stück Eigenständigkeit verloren geht.

Was mich heiß macht

21.06.2012

Zu den (9) Kommentaren

Mir ist richtig heiß geworden - und das keinesfalls nur wegen der hohen Temperaturen zum heutigen Sommerbeginn.

Seit Jahren sollte Fachleuten bekannt sein, dass die kleinen meist unscharfen und selbst für gute Augen schlecht erkennbaren grafischen Bildchen, die CAPTCHAs, von Maschinen oft leichter gelöst werden können als von Menschen. Dennoch sprießen sie wie die sprichwörtlichen Pilze nach Dauerregen. Ihren ursprünglichen Auftrag, nämlich Menschen von maschinen zu unterscheiden und so vor Spam zu schützen, erfüllen sie längst nicht mehr.

Ein Beweis gefällig?

Der Dienst www.webvisum.com hat gezeigt, wie gut eine Maschine CAPTCHAs lösen kann und hat diese Technik blinden und sehbehinderten Menschen zur Verfügung gestellt, damit diese ohne fremde Hilfe und ohne erhöhten Mehraufwand diese Hürde überwinden können, wie dies im Österreichischen Behindertengleichstellungsgesetz gefordert wird. Um Missbrauch zu vermeiden, konnte man sich dort nur anmelden, wenn man von einem bereits bekannten Nutzer des Dienstes eingeladen wurde.

Zurück zur Abhängigkeit

Seit 19. Juni ist die Seite www.webvisum.com nicht mehr verfügbar, eine Anmeldung nicht möglich und zur Lösung von CAPTCHAs muss ich wieder auf fremde Hilfe zurück greifen.

Ich weiß nicht, ob der Dienst nur temporär oder dauerhaft eingestellt wurde und hoffe inständig, das es sich nur um eine technische Umrüstung handelt.

Auf der anderen Seite könnte ich auch nachvollziehen, wenn ein Gratis-Dienst - aus welchen Gründen immer - nicht mehr weiter geführt werden kann.

Die fehlende Verfügbarkeit von Webvisum, dessen ich mich nun schon einige Jahre im Bedarfsfall bediene, hat mir nur sehr deutlich vor Augen geführt, wie rasch ich durch den Verlust technische Errungenschaften auch ein Stück Eigenständigkeit wieder verlieren kann, an das ich mich schon so sehr gewöhnt hatte.

Gesetze ohne Durchführungsbestimmungen

Klar, es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf Zugänglichkeit. Aber genau genommen ist es nicht die Aufgabe freiwillig ins Leben gerufener Gratis-Dienste, die Barrieren einzureißen, die andere unbedacht errichtet haben. Es passt aber ziemlich gut in unsere gesellschaftliche Struktur, ein Übel therapeutisch und nicht prophylaktisch zu behandeln.

Herzlichen Dank an die Betreiber von Webvisum für die jahrelange gute Unterstützung meiner Selbstständigkeit in den vielen Fangstricken des WWW. Noch lebt ja die Hoffnung, dass es sich nicht um ein endgültiges Aus handelt.

Die Hoffnung jedoch, dass das Gros der Webanbieter künftig auf derlei Zusatzbehinderung verzichten könnte, habe ich jedoch längst aufgegeben. Das hieße Prophylaxe statt Therapie, und dafür scheint die Zeit noch nicht reif zu sein.

Die Vorteile guter Vernetzung

Herzlichen Dank an die Mailing-Liste TuKSuB und natürlich an Marco Zehe, der einen Weg beschreibt, wie man Webvisum - wenigstens vorläufig - wieder zum Laufen bringt:
How to get Webvisum working again (Englisch).

Nachtrag vom 24. Juni 2012

Toll! Webvium funktioniert wieder. Trotzdem: Niemand kann wissen wie lange. Das grundsätzliche Problem bleibt, nälich das unangenehme Gefühl der Abhängigkeit und vor allem das Wissen, dass das Gros der Web-Entwickler offenbar lieberden bequemen seit Jahren praktizierten Weg einschlägt und weiterhin den zweifelhaften Schutz durch CAPTCHAs zeitgemäßeren und mindestens ebenso sicheren Schutzmethoden vorzieht.

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9 Kommentare

  1. Fritz schrieb am Donnerstag, 21.06.12 15:04 Uhr:

    Hallo Eva,

    vielleicht ist es ja wirklich nur ein temporäres Problem.
    Ich drück' jedenfalls dir, und allen, die in der Vergangenheit mit dem Dienst von Webvisum zumindest teilweise behinderungsbedingte Barrieren kompensieren konnten, beide Daumen.

  2. Steffen schrieb am Donnerstag, 21.06.12 15:54 Uhr:

    Wirklich schade um Webvisum. Allerdings zeigt das mal wieder, dass man sich besser nicht zu sehr auf ausschließlich online verfügbare Software verlassen sollte, da sie nur eine sehr trügerische Unabhängigkeit vermitteln. Hätte Webvisum andererseits aber seine Software für jedermann zugänglich gemacht, hätten die Spammer sicherlich eine Party gefeiert. :)
    Zum Glück gibt es mittlerweile genug alternative Ideen zur Spambekämpfung, man müsste sie halt nur einsetzen. Ich nutze z. B. für mein Wordpress-blog schon seit geraumer Zeit ein Plugin namens Antispam Bee, was völlig ohne Interaktion des Nutzers auskommt und sogar auf Datenbanken wie Akismet verzichten kann, also auf jeden Fall datenschutzfreundlich arbeitet. Von bisher über 1200 Spamkommentaren wurden dabei nur höchstens 5 Kommentare durchgelassen, fast ein besserer Schnitt als Akismet.

  3. Eva schrieb am Freitag, 22.06.12 12:02 Uhr:

    Hallo zusammen,
    Danke für die Kommentare.

    @Fritz: Die Domain www.webvisum.com steht zum Verkauf.

    @Steffen: Es sagt sich so leicht, sich nicht auf Online-Angebote zu verlassen, wenn man keine vernünftige Alternative hat. Jedenfalls konnte ich jahrelang gut 90 % der CAPTCHAs lösen, für die ich früher einen Assistenten gebraucht habe (und jetzt wieder brauche). Und für diese Hilfe bin ich dankbar, auch wenn sie jetzt nicht mehr existiert.

    Was den Spam-Schutz angeht, so sind wir uns ja alle einig, aber nicht in der Lage es zu ändern. Auch auf diesen Seiten gibt es kein CAPTCHA, und Spams werden zuverlässig abgefangen.

  4. Fritz schrieb am Freitag, 22.06.12 13:27 Uhr:

    Ich muss Steffen Recht geben, was externe Dienste betrifft. Man sollte sich nie darauf verlassen, dass so ein Dienst nicht eines Tages ohne Vorwarnung offline geht, oder so verändert wird, dass er den Zweck nicht mehr erfüllt, für den man ihn ursprünglich vorgesehen hat. Wenn immer möglich, packe ich wichtige Programme auf meinen eigenen Rechner oder meinen eigenen Server, und mache mich von externen Diensten unabängig.

    Ob dieser Rat auch im Falle von WebVisum Sinn macht?
    Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, natürlich nicht mehr. Aber warum sollte es nicht möglich sein, eine OCR Software auf die Erkennung von CAPTCHAs zu optimieren, und lokal zu speichern?

    Eine schnelle Google Suche zeigt, dass ich mit meiner Frage nicht ganz daneben liege:
    http://blog.christian-ahmer.de/captchas- auslesen-tesseract-ocr-spam
    oder
    http://churchturing.org/captcha-dist/
    Nein, die beiden Seiten zeigen keinen WebVisum Ersatz. Aber sie zeigen andeutungsweise, wie ein lokaler CAPTCHA Breaker funktionier könnte. Müsste sich nur noch ein qualifizierter Programmierer finden.

  5. Eva schrieb am Freitag, 22.06.12 13:45 Uhr:

    Hallo Fritz,
    Das ist ja alles richtig und auch interessant. Aber: Solange es keinen plattformübergreifenden einfach funktionierenden Offline-Dienst gibt, bin ich auf online angewiesen. "Es müsste ja nur ..." - Genau da liegt das Problem. Die Leute von Webvisum HABEN, die anderen MÜSSTEN erst. Von der Theorie zur Praxis lautet der Weg, wie wir alle wissen.

  6. Fritz schrieb am Freitag, 22.06.12 19:11 Uhr:

    Hallo Eva,

    interessanterweise gibt es mehrere CAPTCHA-Cracker im Web. Kostenpflichtig. Ab 1.39 US$ pro 1000 erkannte CAPTCHAS.
    Aber!
    Die bieten alle nur APIs zur Verwendung in verschiedenen Programmiersprachen. Wozu sollte wohl so etwas dienen? Nach näherem Studium der Anbieter-Webseiten wird klar: Der Service dient dazu, Spambots zu programmieren, damit diese den CAPTCHA-Schutz umgehen können.
    Welch geradezu groteske Perversion der ursprünglichen Idee: CAPTCHAs sperren Menschen aus, für Maschinen sind sie kaum ein Hindernis.

    Bemerkenswert auch: Programme für Betreiber von Spambots kann man kommerziell betreiben. Sollte nicht auch ein Dienst wie WebVisum rentabel zu betreiben sein. Du wärst doch sicher bereit, für so einen Dienst einen angemessenen Preis zu bezahlen, ebenso wie für gute Hilfsmittel.


    Falls es interessiert hier eine Übersicht über die Spambot-Hilfsprogramme:
    http://decaptchablog.com/decaptcher-serv ices

  7. Fritz schrieb am Dienstag, 26.06.12 22:39 Uhr:

    Hallo Eva,

    »das unangenehme Gefühl der Abhängigkeit« lässt sich durch Redundanz vermindern.
    <end klugscheißermode>
    Ich habe eine Alternative gefunden:
    http://captchamonster.com/
    Der Dienst ist kostenpflichtig. Aber US$ 2.99 pro Monat für 60 gelöste CAPTCHAS sollte akzeptabel sein.
    Es gibt eine kostenlose 30 Tage Demo.
    Captcha Monster funktioniert ähnlich wie WebVisum als Firefox Addon. Und auch die Benutzung ist ähnlich.
    Dass Captcha Monster ausgerechnet auf denic.de kein Captcha sieht, hat mich bei meinen Tests etwas verwirrt. Aber auf anderen Seiten hat es gut funktioniert.

  8. Eva schrieb am Freitag, 29.06.12 11:57 Uhr:

    Hallo Fritz,
    Danke für den Hinweis. CAPTCHA-Monster wurde zusätzlich zu Marcos Anleitung in der TuKSuB-Liste auch erwähnt und ich habe mir gleich den Link notiert.

    Du hast Recht: Die Kosten sind kein wirkliches Thema (ich sage nur Stichwort "BONG").

    Was aber nach wie vor ein Thema bleibt ist das Unbehagen, dass es überhaupt solcher Krücken bedarf. Therapie statt Prophylaxe eben.

    Aber vorerst versieht Webvisum ja weiterhin Dienst, und darüber bin ich sehr froh.

  9. Fritz schrieb am Freitag, 29.06.12 16:43 Uhr:

    Hallo Eva,

    schlimmer:
    Die Entwicklung geht genau in die entgegengesetzte Richtung, nämlich, auch Maschinen wie WebVisum oder Captchamonster auszuschließen.
    Beispiel: Ein Tool namens NuCapcha (http://www.nucaptcha.com/) erzeugt ein animated gif mit Hintergrundgrafik und statischem Text, sowie einigen bewegten Buchstaben. Die Lösung des CAPTCHA sind die bewegten Buchstaben. Sowohl WebVisum als auch Captchamonster erkennen den statischen Text, nicht aber die bewegten Buchstaben.

    Bisher haben in diesem Wettlauf zumeist die Captcha-Cracker gewonnen. Ob das so bleibt?
    NB: oben genanntes Beispiel ist übrigens sehr einfach zu lösen, wenn man Sicht auf den Bildschirm hat. Aber eben nur dann.

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