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Guter Wille und Pragmatismus sind zum Glück der Bürokratie überlegen.

Die kleinen Hürden

10.05.2014

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Wann immer ich an Berlin denke, wie zum Beispiel bei den jüngst skizzierten Recherchen unter Berlin, wir kommen!, fällt mir unser Erlebnis mit dem Bahn-Abholservice vor zwei Jahren ein, über das wir heute noch gerne schmunzeln.

Wenig Raum für Flexibilität

Wir hatten damals den Besuch der SightCity in Frankfurt mit dem Besuch bei Freunden und dem Louis Braille Festival in Berlin kombiniert. Wir wussten vorab aber den genauen Zeitpunkt der Fahrt von Frankfurt nach Berlin noch nicht und hatten deshalb wohl eine Fahrkarte, nicht jedoch eine Reservierung gebucht.

24 Stunden vor Reiseantritt in Frankfurt habe ich, den Bestimmungen gemäß, beim Mobilitätsservice der Deutschen Bahn angerufen, um eine Umsteigehilfe am Hauptbahnhof Berlin zu buchen. Die freundliche Dame am Telefon nahm die benötigten Reisedaten auf und ich wollte schon dankend das Gespräch beenden, als noch die Frage nach der Wagennummer kam. Ich erklärte die Situation und schlug einen Treffpunkt bei der Lokomotive vor. Wir würden selbstständig dorthin kommen.

Mit Erstaunen vernahm ich, dass eine Abholung ohne Angabe der Wagennummer nicht möglich sei. Daran änderte auch mein Hinweis nichts, dass unsere Namen sowie Zugnummer und Ankunftszeit bekannt seien und wir darauf achten würden, möglichst weit vorne in die Garnitur einzusteigen. Nichts zu machen. Keine Wagennummer, kein Begleitservice. Basta!

Ich weiß nicht, ob bürokratische Bestimmungen oder ein unglücklich gewähltes Pflichtfeld im Formular die Ursache war, und eigentlich ist das auch unerheblich. Jedenfalls beendete ich das Telefonat erfolglos.

Überraschung vor Ort

Wir hatten ohnehin alle Zeit der Welt und beschlossen daher, uns alleine durchzuschlagen, wie wir das schon oft getan hatten. Genau genommen blieb uns ja auch nichts anderes übrig. Hannes kann zur Not mit seinem Monokular Beschriftungen lesen und wir können ja Passanten fragen. Irgendjemand wird wohl den Weg zur richtigen Bushaltestelle kennen.

Die Überraschung war groß, als wir beim Verlassen des Zuges von zwei gut gelaunten Damen empfangen wurden, die uns fragten, ob wir Begleitservice bestellt hätten. Nun wäre es sehr bequem gewesen einfach "ja" zu sagen. Aber der Begleitservice wurde vielleicht von jemandem angefordert, der ihn dringender nötig hatte als wir. Daher meinte ich nur trocken: "Bestellt ja, bekommen nein.", was großes Erstaunen auslöste, weil "ohnehin nicht viel los" sei. Also berichtete ich, dass der Service nicht gebucht worden war, weil wir keine Wagennummer angeben konnten.

Die beiden Helferinnen schüttelten einigermaßen verständnislos den Kopf. Im Trouble-Shooting geübt, fanden sie jedoch rasch eine Lösung: Eine der beiden Damen wartete ab, ob noch andere behinderte Fahrgäste aussteigen würden, die zweite begleitete uns zum Ticket-Schalter. Danach fragte sie uns, wohin wir jetzt wollten, und wir nannten ihr die benötigte Buslinie.

Und schon hatten wir die nächste Hürde: Die Begleiter dürfen aus versicherungstechnischen Gründen das Bahnhofsgelände nämlich nicht verlassen. Die Bestimmung an sich ist durchaus nachvollziehbar, die Auswirkung etwas unangenehm. Nach Einschätzung unserer Begleiterin würde es nämlich schwierig für uns werden, ohne fremde Hilfe den richtigen Bus-Steig zu finden, weil das Gelände viel zu unübersichtlich und auch nicht durch tastbare Leitlinien gesichert ist. Nun fand sich unsere Helferin in dem Zwiespalt, ob sie gemäß den Bestimmungen handeln und uns unserem Schicksal überlassen oder ob sie dem Impuls folgen und uns unnötige Wege oder Schlimmeres ersparen sollte. Keine ganz einfache Entscheidung, wenn man seinen Job ernst nimmt.

In der Zielgeraden

Es ging letztlich alles gut. Wir bestiegen den richtigen Bus, nannten dem Fahrer die Station, an der wir aussteigen wollten, und baten ihn uns diese anzukündigen. "Dat macht meine Sekretärin", antwortete er grinsend und das tat sie dann auch in Form eines Tonbandes.

Als Hannes den schweren Koffer hinaushievte, fragte der Fahrer noch, wohin wir wollten und ich nannte ihm die Adresse unseres Hotels. als Sonderservice erhielten wir eine kurze Beschreibung, in welche Richtung wir zu gehen hatten. Fünf Minuten später standen wir an der Rezeption und konnten einchecken.

Für unsere bevorstehende Berlinreise im Juli werden wir vermutlich keinen Begleitservice am Hauptbahnhof buchen. Nein, nicht aus Misstrauen, sondern weil wir diesmal die S-Bahn benötigen und wir inzwischen den Bahnhof einigermaßen kennen. Außerdem steht uns eine Menge technischer Hilfen zur Verfügung, deren Leistungsfähigkeit wir gerne gleich bei Ankunft und in bekannter Umgebung testen werden.

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