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Ein bunter Strauß an Orientierungshilfen.

Berliner Impressionen
Tag der Orientierung

Juli 2014

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Wie schon erwähnt, wohnen wir nicht im Hotel, sondern in einer Gästewohnung, bestehend aus einem Vorraum mit Schrank, einem Badezimmer und einem großen Wohn-Schlafraum mit einer Küchenzeile. Wie im Hotel werden Handtücher und Bettwäsche zur Verfügung gestellt, und auch die Küche ist mit allem ausgerüstet, was man brauchen könnte — bis hin zu Filtertüten, Dosenöffner und Korkenzieher.

Nach einem gemütlichen Frühstück — Kaffee, Brot und Butter haben wir mitgebracht — und sobald die Sonne nach einem heftigen Regenschauer wieder lacht, machen wir uns auf den Weg zum Edeka-Laden, um ein paar Lebensmittel für Zwischendurch-Mahlzeiten sowie das Frühstück einzukaufen. Es dauert eine ganze Weile, bis wir wieder zurück sind, denn schon beim Ausgang treffen wir eine nette Angestellte des Blindenhilfswerks, und schon sind wir mitten in einem Gespräch über Berlin und unsere geplanten und möglichen Aktivitäten der kommenden Tage.

Farbige, taktile und elektronische Orientierungshilfen

Wer in einer Reisegruppe unterwegs ist, braucht sich kaum Gedanken über Weg und Ziel zu machen. Wer auf eigene Faust reist, hat vielleicht Reisewege und -ziele planen lassen. Und wer ganz auf sich gestellt reist, hat möglicherweise einen bunten Packen Papier mit Plan, Reiseführer und Notizen in der Tasche — oder zieht auch einfach ohne Plan los und lässt sich von den visuellen Eindrücken inspirieren.

Keine dieser Methoden ist für uns als Alleinreisende wirklich geeignet. Wie findet man denn ohne zu sehen ein nettes Lokal oder wie "betrachtet" man ohne oder mit stark eingeschränkter visueller Wahrnehmung ein Bauwerk? Wie findet man überhaupt von A nach B?

Die Aktivitäten unseres ersten Tages geben einen kleinen Einblick, wie wir Berlin erobern wollen.

An erster Stelle steht eine möglichst gute Orientierung. Hannes hat seinen Stadtplan und ein kleines Lesegerät mitgebracht — eine Kombination, die sehr gut zur Vorbereitung dient, unterwegs aber nicht funktioniert. Meist ist weder Platz noch herrschen optimale Lichtverhältnisse, um ihm das Planlesen auch auf der Straße zu ermöglichen. Zum Glück ist er ein unglaubliches Orientierungstalent und kann ganze Stadtteile im Kopf abspeichern.

Meine Hauptaufgabe besteht darin, die Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln herauszufinden und zu planen. Ich nutze dazu mein iPhone, und ich nutze vorwiegend die folgenden drei Anwendungen:

Das sind noch nicht alle meine Werkzeuge, aber für den nächsten geplanten Weg reichen sie aus.

Was mir nämlich noch zu einer bestmöglichen Orientierung fehlt, ist etwas zum Anfassen. Während meiner umfangreichen Recherchen für die Berlinreise habe ich in Erfahrung gebracht, dass man beim ABSV einen tastbaren Plan der Berliner S- und U-Bahnlinien kaufen kann.

Die Route ist rasch geplant, denn "Bus und Bahn" verrät mir, dass der Autobus 186 direkt von Steglitz bis zur S-Bahn-Station Grunewald fährt, wo sich die Auerbacherstraße befindet. Es mag ja sein, dass wir mit S und U schneller wären, aber nicht umsteigen zu müssen, hat den Vorteil, dass wir einmal weniger nach der richtigen Haltestelle suchen müssen.

Wir fahren also kreuz und quer durch den Süden Berlins, was für Hannes auch noch den Vorteil hat, sich ein wenig in der Gegend umsehen zu können. An der Endhaltestelle angekommen, benötigen wir keine weitere Orientierungshilfe, denn der Weg ist uns von früheren Aufenthalten in der deutschen Hauptstadt gut bekannt.

Der Plan, den wir kaufen, erweist sich dann als sehr sperrig, sodass wir — anders als ursprünglich beabsichtigt — nochmals denselben Weg zurück in unser Quartier fahren, um das gute Stück nicht mit uns herumschleppen zu müssen. Ein einziger Griff belehrt mich, dass unsere Neuerwerbung zwar eine gute zusätzliche Orientierungshilfe darstellt, aber leider nicht in unseren Koffer passt. Also müssen wir irgendwann auch noch zur Post.

Blind in Berlin

Vorerst aber planen wir den nächsten Programmpunkt, nämlich einen Besuch beim Verein Förderband e.V. Das von diesem Verein 2009 ins Leben gerufene Projekt Berlin für Blinde war eine meiner wichtigsten Quellen bei der Erarbeitung unseres Programms. Daher liegt es nahe, den seit Online-Schaltung der Webseite bestehenden losen E-Mail-Kontakt durch einen Besuch zu festigen und sich ein wenig auszutauschen.

Hannes sucht die Adresse im Stadtplan und informiert mich, welche Linien dort fahren, und ich plane die Route mit den Öffis. Zwar könnten wir mit der S1 direkt bis zur Oranienburger Straße fahren, aber wir sind nicht sicher, den Weg von dort auch zu finden. Also nehmen wir einen Umweg in Kauf und planen die Route mit der U9 und der U8. Als Touristen haben wir ja Zeit, den bequemen und nicht den schnellen Weg zu nehmen.

Als wir am Rosenthaler Platz an die Oberfläche kommen, schalte ich zuerst BlindSquare an. Diese App sagt mir während des Laufens an, an welcher ungefähren Adresse wir uns befinden — eine sehr nützliche Hilfe in unbekannter Gegend. Hannes weiß zwar sowieso, in welche Richtung wir gehen müssen, aber er hat nichts gegen eine Überprüfung.

Wir erreichen unser Ziel ohne Probleme und auch ohne fragen zu müssen und unterhalten uns mit Frau Baumann in einem netten Straßen-Café über die vom Förderverein erarbeiteten Sehenswürdigkeiten und vor allem die detaillierten verbalen Routenbeschreibungen dorthin. Ich verspreche, auch bei jenen Zielen, die wir uns aus der Webseite Berlin für Blinde herausgesucht haben, besonders darauf zu achten, ob die Wegbeschreibungen einerseits noch gültig und andererseits auch für Ortsfremde gut verständlich sind.

Auf neuen Wegen

Als wir uns verabschieden, beschließt Hannes spontan, dass wir die kürzeste Route nach Hause nehmen, nämlich von der Oranienburger Straße mit der S1 direkt nach Steglitz. Ich habe keine Ahnung, wohin wir müssen, denn diesen Weg habe ich nicht vorbereitet. Aber Hannes hat — keine Ahnung warum — bereits den Stadtteil so weit im Kopf, dass er sicher ist, den Weg zu finden. Überflüssig zu betonen, dass er Recht hatte.

Nach einem kurzen Zwischenstopp in unserem Quartier geht es bereits weiter. Denn wir sind zum Essen bei "einem sauguten Thai" verabredet. Insider können vielleicht schon aus der Formulierung herauslesen, wen wir treffen, andere Interessierte finden es sicher auf Backis Welt heraus. Was soll ich sagen: Wir waren die letzten Gäste, die das Lokal verlassen haben, denn wir hatten viel zu reden.

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