Sie sind hier:

Reisen

Zur Navigation

Herzlichen Dank an Nina und Bärbel, die uns diesen erlebnisreichen Tag geschenkt haben.

"Ich hab' noch einen Koffer in Berlin ..."

Juni 2003

Zu den (0) Kommentaren

Nicht allzu viele werden diesen alten Schlager kennen und diejenigen, die sich daran erinnern, tun dies sicher mit einem Gefühl der Nostalgie. Nicht zuletzt deshalb ist der Schlagertitel gut geeignet, meine Beziehung zu der deutschen Hauptstadt zu beschreiben.

Wie alles begann

Mein erster Besuch in Berlin fällt in die Zeit, als Westberlin noch keine Hauptstadt, sondern eine "Enklave" und von einer Mauer und Stacheldraht umgeben war. Auf diese Einengung ist es wohl auch zurückzuführen, dass die Ausflugs- und Naherholungsgebiete nicht wie in Wien am Stadtrand oder gar außerhalb zu finden sind, sondern sozusagen im Herzen der Stadt. Während Wien ein Zentrum hat, um das sich strahlenförmig die Außenbezirke anschließen, so hat in Berlin jeder Bezirk sein eigenes Zentrum, den so genannten Kiez.

Aber es sind nicht die zahlreichen Kulturdenkmäler und Sehenswürdigkeiten wie der berühmte Fernsehturm, der "lange Lulatsch", wie ihn die Berliner nennen, und auch nicht die Siegessäule - "Gold-Else" mit anderem Namen -, die mich momentan beschäftigen. Vielmehr sind es die seit der Öffnung neu erschlossenen Gebiete. Und so lassen wir unseren Koffer in Berlin und machen uns auf die Fahrt in den viel besungenen Spreewald.

Raus aus der Stadt

Es ist ein sonniger, wenn auch kühler Sonntagmorgen und in der Rothenburgstraße in Steglitz sind die Glocken der nahen Kirche zu hören, als wir vor unserer Gästewohnung auf Freunde warten, die uns mit dem Auto abholen. Schon das Verlassen der Stadt mit ständigem Wechsel der Autobahnen ist ein Abenteuer, aber Nina und Bärbel sind perfekt ausgerüstet: Straßenkarten, Reiseführer und ein ausgedruckter Routenplaner aus dem Internet stellen die sprichwörtliche "deutsche Gründlichkeit" einmal mehr unter Beweis.

Menschen im Boot

Unser Weg führt uns nach Burg und dort zuerst zum Bootshafen am Waldschlösschen am Eingang zum Naturschutzgebiet Spreewald. Die "Flotte" besteht aus 25 Spreewaldkähnen, auf denen man die fast unberührte Natur des Hochwaldes, das Streusiedlungsgebiet von Burg-Kauper, das benachbarte Fischerdorf Leipe oder den Spreewaldort Lehde hautnah erleben kann.

Während der Bootsmann (siehe Foto) den Kahn durch die engen Kanäle manövriert und wir der so andersartigen Vogelwelt lauschen, fühle ich mich ein wenig an die Grottenbahn im Wiener Prater erinnert. Denn von Zeit zu Zeit lichtet sich der dichte Wald ein wenig und gibt links oder rechts den Blick auf eine Lichtung mit einem Spreewaldhaus und dessen Bewohner frei, die freundlich zu uns herübergrüßen. Dann tauchen wir wieder ein in das Dickicht, bücken uns, um den Ranken auszuweichen und hören den Geschichten unseres "Reiseführers" zu, die irgendwie nach "Fischer-Latein" klingen.

Schleuse

Zwei Schleusen müssen wir passieren, die von Kindern bedient werden (siehe Bild). Sie sagen ihren Schleusenspruch auf und erhalten von uns ein paar Münzen auf die Kaimauer gelegt, während das Boot etwa einen Meter gehoben wird. Nichts stört die Ruhe, denn in das Naturschutzgebiet dürfen weder Motorboote noch Autos; auch Radfahrer und Wanderer werden durch Schilder darauf aufmerksam gemacht, dass sie die öffentlichen Wege nicht verlassen dürfen. Nur ganz sachte und vorwiegend zum Schutz der Bewohner und Besucher wird hier in die Natur eingegriffen.

Im Kräutergarten

Ebenfalls mitten im Herzen des Spreewaldes befindet sich unweit der Gemeinde Burg der "Arznei- und Gewürzpflanzengarten Burg". Auf rund einem Hektar werden heimische Arznei- und Gewürzkräuter sowie alte, spreewaldtypische Kultur- und Nutzpflanzen wie Lein, Buchweizen oder Saflor angebaut. Über 400 Pflanzenarten gibt es dort zu bestaunen. Was der eine oder andere als Unkraut in seinem Garten "entsorgt", entpuppt sich hier als wertvolle Heilpflanze.

Bei Führungen durch den Kräutergarten kann der Besucher vieles zur Anwendung und Heilwirkung von Wildkräutern, zum biologischen Pflanzenschutz, zum bodenschonenden Gärtnern, zur Gründüngung sowie zu den einzelnen Umweltbildungsschwerpunkten Insektenhotel, Kräuterspirale, Weidenhochbeet, Himmelsteich oder Bienenmuseum erfahren.

Tastbare Erlebnisuhr

Auf dem Außengelände inmitten einer Streuobstwiese befindet sich die "Natur-Erlebnis-Uhr" (siehe Bild). Ursprünglich vor allem erdacht, um blinden und sehbehinderten Besuchern zu ermöglichen, Natur auf eine ihnen gemäße Weise zu erleben und zu entdecken, ist sie längst zum attraktiven Angebot für jedermann geworden. Bei allen zwölf Stationen gibt es etwas zu riechen, zu tasten, zu lesen oder zu hören. Besonders eindrucksvoll ist eine Art "Music-Box" mit Knöpfen und Beschriftung in Blindenschrift, wo man die Rufe und Klopfgeräusche von mindestens acht verschiedenen Spechtarten vergleichen kann. Passiert man die Ziffer zwölf der Uhr, ertönt ein elektronischer Kuckucksruf, der einem sagt, dass der Kreis wieder geschlossen ist.

Nostalgie für Eisenbahn-Fans

Burg hat aber noch mehr zu bieten. Zentral in Burg-Dorf gelegen befindet sich der alte Bahnhof. Von 1898 bis 1970 verkehrte hier regelmäßig die Spreewaldbahn. Seit der Einstellung des Eisenbahnverkehrs wird der Bahnhof als Gaststätte genutzt.

In den letzten Jahren kann man hier zusätzlich eine recht stattliche Sammlung von restaurierten Eisenbahnwaggons und weitere Ausstellungstücke bewundern. Wer möchte, kann sich sein Essen von einer Modellbahn servieren lassen.

Zumal mein Mann ein echter Eisenbahn-Fan ist und ich als Tochter eines Eisenbahners und an der Schmalspurbahn nach Mariazell wohnhaft von Kindesbeinen an mit der Bahn vertraut bin, können wir uns einen Zwischenstopp an diesem historischen Ort natürlich nicht entgehen lassen.

Erinnerungen im Gepäck

Am späten Nachmittag geht es wieder zurück nach Berlin, wo ja unser Koffer auf uns wartet. Die nächsten Ausflüge werden uns zur Gartenbahn in die Wuhlheide, in die Müggelberge im Südosten Berlins und an den Liebnitz-See führen.
Aber das wäre eine andere Geschichte.


Bildbeschreibungen: Falk Webel

Zur Übersicht "Alltag"

Zu diesem Artikel gibt es leider noch keine Kommentare.

Einen Kommentar zu diesem Artikel schreiben:

Ich behalte mir vor, Einträge wider die guten Sitten oder den guten Geschmack zu entfernen, möchte meine Leser jedoch ausdrücklich zu themenbezogenen Kommentaren oder Fragen ermutigen.