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Eigentlich lese ich lieber als zu schreiben.

"Geschrieben habe ich schon immer"

02.02.2020

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Seit vielen Jahren bin ich Mitglied des Redaktions-Teams des Magazins Braille Report des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Wien, Niederösterreich und Burgenland. In der Ausgabe 2/2019 erschien ein Portrait über mich, von dem ich auch die Überschrift zu diesem Beitrag entlehnt habe.

Eine der Zuschriften, die ich daraufhin erhielt, ist der Anlass für diesen Beitrag.

"So gut kann ich es auch ..."

Das war meine flapsige Teenie-Aussage als Reaktion auf einen Kurz-Krimi, den mir meine Mutter aus irgendeiner ihrer bunt bebilderten Zeitschriften vorgelesen hatte. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass meine Mutter mir schon im Kleinkindalter trotz ihres Mehrfach-Jobs als Fabrikarbeiterin, Hausfrau, Gartenbetreuerin, und ihrer Aufgabe als Mutter viel vorgelesen hat. Das hat sich auch während meiner Schulzeit fortgesetzt; nur die Art der Lektüre hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Und als ich später im zweiten Bildungsweg die Reifeprüfung nachholte, war sie es, die viele der schriftlichen Unterlagen, die ich ja nicht selbst lesen konnte, für mich auf Tonband gesprochen hat. Kein Wunder also, dass ich den Ehrgeiz entwickelt hatte, eines Tages so gut wie sie lesen zu können.

Aber zurück zu meiner — zugegeben — recht vollmundigen Bemerkung, zu der meine schlagfertige Mutter die Replik nicht schuldig blieb: "Beweise es", sagte sie. Für sie war das Thema damit erledigt, aber mich ärgerte, dass sie schon wieder das letzte Wort haben sollte.

Und so stand nach einigen Tagen für mich fest: Ich schreibe ein paar Krimis und beweise meiner Mutter, dass die auch nicht viel schlechter wären als das, was da so in den Hochglanzmagazinen geboten wird.

Zu ihrem Geburtstag im April lag dann auch eine kleine A5-Mappe auf dem Gabentisch, gefüllt mit einigen Kurz-Krimis. "Gar nicht so schlecht", lautete der mütterliche Kommentar und dann fügte sie noch hinzu: "Mir gefallen die Geschichten, klingen ganz ähnlich wie die in den Zeitschriften." Ob diese Einschätzung wirklich als Kompliment interpretiert werden kann, bezweifle ich aus heutiger Sicht. Aber damals mit meinen 13 oder 14 Jahren war es Ermutigung genug, auch weiterhin Geschichten oder Gedichte zu Papier zu bringen. Und so war selbst zu schreiben eine nahezu logische Folge auf meinen schon in früher Kindheit entfachten Lesehunger.

Als mir meine Mutter das nächste Mal, als ich vom Internat heim kam, wieder einen Krimi vorlas, unterbrach ich sie nach den ersten Sätzen. Denn was sie da las, war eine meiner selbst geschriebenen Geschichten. Sie hatte, ohne es mir zu sagen, den ihr am besten erscheinenden Kurz-Krimi unter meinem Namen eingereicht, und er wurde genommen; sogar ein kleines Honorar bekam ich dafür.

Flucht oder Therapie?

Mit 14 begann ich also meine pubertären Sorgen und Probleme nicht nur einem Tagebuch anzuvertrauen, sondern auch in allerlei kurzen Geschichten meiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Nach dem ersten heftigen Liebeskummer verarbeitete ich diesen in romantischen Versen — nach strengem metrischem Maß, versteht sich. Denn natürlich beschäftigte ich mich mit dem Thema Schreiben nicht nur praktisch, sondern, angeregt durch den Deutsch-Unterricht, auch theoretisch. In allen Lebenskrisen schrieb ich irgend etwas: Kurzgeschichten, Erzählungen, ja ganze Romane. Den größten Teil bilden allerdings die vielen Fragmente. Sie gelten mir als Zeichen dafür, dass die meisten meiner Krisen überwunden waren, bevor ich ein Werk vollenden konnte oder wollte. Denn auch das ist ein Symptom für meine Schreibfeder: Ich verliere mitunter zu rasch das Interesse an einem Thema und ich habe oft genug nicht die Disziplin, so lange zu feilen, bis mich das Ergebnis zufrieden stellt.

Und ich habe vor allem in jungen Jahren fast immer nur für mich selbst geschriben — von kleinen "Auftragsarbeiten" zu Anlässen wie runden Geburtstagen einmal abgesehen.

Im Lesen suchte ich durch das Eintauchen in eine andere Welt den nötigen Abstand zu meinen eigenen Problemen (Flucht?)

Im Schreiben fand ich ein Ventil, um Ballast loszuwerden. (Therapie?)

Der sprichwörtliche "Tritt in den Hintern"

Anders als viele Menschen, denen das Schreiben ein elementares Bedürfnis ist, bedurfte und bedarf es bei mir immer eines äußeren Anstoßes, um mich zu motivieren, ob nun durch ein anstehendes Problem, die Aufforderung, über ein Thema zu schreiben, oder ein mir wichtiges Erlebnis.

So entstand auch dieser Webauftritt. Auslöser war die mehrfach geäußerte Frage von Freunden und Bekannten, ob die in verschiedenen Publikationen von mir erschienenen Beiträge nicht irgendwo gesammelt werden sollten. Also suchte ich etliche zusammen und begann online zu stellen, was mir geeignet schien.

Ein leichtsinniges Statement

Wie erwähnt, treibt mich kein Zwang zum Schreiben und publizieren, und wie ebenfalls erwähnt, mangelt es mir mitunter an Geduld und Ausdauer, um eine Sache zu einem für mich akzeptablen Ergebnis zu bringen. Aber ich lasse mich offenbar immer wieder provozieren.

In einer der Redaktionssitzungen des "Braille Report" erwähnte jemand, dass es nicht sehr viele Kriminalromane gäbe, in denen blinde Menschen eine wesentliche Rolle spielen und ob ich nicht einmal eine solche Geschichte schreiben wolle. ""Falls ich das je tun sollte, dann wäre der blinde Protagonist aber keinesfalls Opfer, sondern Täter", war meine spontane und recht unüberlegte Antwort. Man merkt schon, ich bin trotz allem inzwischen etwas vorsichtiger in meinen Äußerungen geworden, wie das Wörtchen "falls" zeigt. Aber es gibt Gedanken, die eine Art Eigendynamik entwickeln und einen Gärungsprozess in Gang setzen, dessen man sich zu spät bewusst wird. Also begann ich tatsächlich, einige Kurz-Krimis zu skizzieren und die Handlung in Stichworten festzulegen. Bislang ist erst eine Geschichte so weit, dass man sie als einigermaßen fertig bezeichnen kann. Ich verspreche auch gar nicht, das Projekt jemals zu Ende zu bringen. Aber es macht Spaß, gelegentlich daran zu arbeiten.

Mal wieder ein sanfter Tritt

Und dann kam vor kurzem eine sehr persönliche E-Mail, die mich ein wenig aufgerüttelt hat. In den letzten drei Jahren habe ich meine "private Spielwiese", als die ich meine Webseite immer gesehen habe, ziemlich vernachlässigt. Erst durch den neu hinzugekommenen Leser, der zumindest vorerst genug "Lesefutter" finden kann, ist mir bewusst geworden, dass ich nicht nur für mich schreibe, sondern eben auch für mein kleines, aber feines Stammleser-Publikum. Hier ist wohl eine Entschuldigung für die Vernachlässigung angebracht.

Ich verspreche nicht, künftig tatsächlich wieder mehr zu publizieren. Es ist mir wichtig zu wissen oder zumindest das Gefühl zu haben, nicht bloß zu schreiben um zu publizieren, sondern um etwas mitzuteilen, das mir einen Beitrag Wert ist. Allerdings werde ich künftig etwas sensibler überlegen, was meine Leser interessieren könnte — das kann ich immerhin versprechen.

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