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Alltag

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Reflexionen einer be- und verhinderten Käuferin - Alltagsprobleme einmal humorvoll betrachtet.

Dosengemüse

Februar 2005

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Ich hasse Supermärkte! Warum? Dort muss ich den Einkaufswagen hinter mir herziehen. Denn das ist, mit einem Blindenstock in der Hand, umweltfreundlicher für Mensch und Ware. Ich muss mir den Stellplan merken, um die richtige Produktgruppe zu finden und dann haben viele Waren die Eigenschaft, einander in ihrer Verpackung zu gleichen wie das sprichwörtliche Ei dem anderen.

Aufstöbern und Identifizieren von Lebensmitteln ist polizeilichen Ermittlungen nicht unähnlich - inklusive Zeugen-, sprich Kundenbefragung. Dabei stellt sich dann manchmal heraus, dass "Kunde" nicht unbedingt "kundig" sein muss, zumindest nicht "warenkundig". Und das Personal ist ohnehin auf ein Minimum reduziert und daher im Dauerstress; da will man doch nicht noch mehr Mühe machen und sich Aufschriften vorlesen lassen oder gar Produkt- und Preisvergleiche anstellen.

Aufgeschlossen - aufschlussreich

Aber der Supermarkt ist für mich nicht nur nervtötend, zeitraubend und unbequem, er bietet auch Gelegenheit zu Erfolgserlebnissen: Da lernt man schon mal neue Geschmacksrichtungen kennen, die einem auf den bunten Prospekten, bei denen auch die beste Zeichenerkennung versagt, entgangen wären - wenn auch erst im trauten Heim. Diebisches Vergnügen bereitet es auch, wenn man das Richtige erwischt hat, um es wie eine Trophäe nach Hause zu tragen. So nach dem Motto: Manchmal findet auch ein blindes Huhn ein(en) Korn. Es ist ein durchaus erhabenes Gefühl, wenn die Trefferquote im Einkaufswagen nahezu 100% beträgt; fast so schön wie 6 Richtige.

Es darf gelacht werden

Der Supermarkt hat zweifellos einen gewissen Unterhaltungswert, sofern man über etwas Humor verfügt, trägt man doch oft so manches "Überraschungsei" nach Hause, wie mein letztes Narrenstück zeigt:

Ich bekomme Besuch, bin wieder mal spät dran (das bin ich öfter), stürme in den Supermarkt, so rasch es mein Langstock gefahrlos zulässt, schnappe mir einen Wagen, den ich brav hinter mir herziehe, packe in den Korb, was ich selbst finden und auch identifizieren kann und lasse mir im Zweifelsfall von jemandem helfen, steuere zuletzt noch zielsicher in den Gang mit den Konserven, fasse ins Regal und taste nach den Dosen - schließlich kenne ich ja den Stellplan einigermaßen. Aber Konserven sind ein Kapitel für sich und schwer zu unterscheiden, eine Eigenschaft, die sie mit vielen Produktgruppen gemeinsam haben.

Um es kurz zu machen: Es war keiner da, den ich hätte konsultieren können, die Zeit war knapp, an der Kasse gab's Stau und dann war ich draußen - geschafft.

Überraschungseffekt

Konservendose mit weißen Bohnen

Bildbeschreibung: Auf der Küchen-Arbeitsfläche steht eine Konservendose mit weißen Bohnen. Darüber sind zwei Hände zu sehen, die einen Dosenöffner halten; aber noch ist die Dose geschlossen. Wenn man das Etikett nicht lesen kann, erfährt man erst nach dem Öffnen, was sich in der Dose befindet.

Zu Hause entpuppten sich dann meine heiß geliebten und für's geplante Essen erforderlichen Pomodori Pelati als gewöhnliche Bohnen - immer noch besser als Hundefutter, versuche ich mich zu trösten. Aber Tierfutter steht zum Glück in einem ganz anderen Regal. Also keine Sorge, derlei Verwechslungen sind eher unwahrscheinlich!

Meine Gäste staunten allerdings nicht schlecht über die kurzfristige Änderung des Speiseplans. Die dazugehörige Story ging dafür gemeinsam mit dem hervorragenden Chardonnay runter wie Öl. Man muss nicht immer gleich verreisen, um etwas erzählen zu können, zur Not tut es auch ein Besuch im Supermarkt.

Angeheitert und ernüchtert

Es war ein feucht-fröhlicher und vor allem netter Abend - bis zu jenem Zeitpunkt, als mich der Mann einer Freundin - er programmiert unter anderem Internet-Shops - fragte, warum ich mich dem Stress im Supermarktüberhaupt aussetze und nicht via Internet einkaufe: bequem vom Schreibtisch aus und mit der Möglichkeit, nach Sonderangeboten zu stöbern, Preisvergleiche anzustellen - und das alles mit dem Zusatzkomfort, nichts nach Hause schleppen zu müssen.

Verflixt, wie Recht er doch hat, noch dazu, wo er weiß, dass ich für so gut wie alles den Computer nutze. Und ich würde nichts lieber tun als seinem gut gemeinten Rat zu folgen, wenn da nicht dieses kleine Problem wäre: Shops sind für mich oft noch unzugänglicher als Supermärkte. Laufschriften und Werbung auf der Einstiegsseite sind ja okay, aber wenn man sozusagen gerade in einem digitalen Regal stöbert, will man nicht unbedingt unterbrochen werden und dann die Suche von Neuem beginnen. Dass man bei den unbeschrifteten Buttons oft nicht weiß, ob sie zur Kasse oder sonstwo hinführen, kann man ja in einigen Versuchen durch Try and Error herausfinden - in der Hoffnung, dass man dabei nicht irrtümlich den Warenkorb leert. Besonders lästig ist es aber, wenn man endlich alles beisammen hat, an die Kasse kommt und der Button funktioniert nicht. Ich hätte ja nichts dagegen, gelegentlich die Kasse zu umgehen, aber dann kommen auch keine Waren ins Haus, und das will ich meinen Gästen nicht zumuten.

Traditionell statt virtuell?

Also scheint es meist das kleinere Übel, zumindest aber die zuverlässigere Variante, Bohnen statt Pomodori nach Hause zu bringen als vor leeren Tellern zu sitzen.

Ich bestreite ja gar nicht, dass es mich gehörig ärgert, nur zwischen zwei nahezu gleich schlechten Alternativen wählen zu müssen, aber -  nein - benachteiligt fühle ich mich dadurch keineswegs, höchstens etwas irritiert.

Im November 2004 war im Barrierekompass zu lesen, dass Online Shops boomen. Dort wurde auch erwähnt, dass 50% der Käufe im Internet vorzeitig abgebrochen werden. Bei einer derart hohen Gleichberechtigungsquote kann ich mich doch gar nicht benachteiligt fühlen, oder?

Dass man wegen einer kleinen Randgruppe (deren Kauflust und Kaufkraft man übrigens gewaltig unterschätzt) nicht gleich einen ganzen Shop relauncht, kann ich ja gut nachvollziehen, aber sich 50% der Kunden wegen unzureichender Usability entgehen zu lassen, halte ich in konjunkturschwachen Zeiten für geradezu unvernünftig.

Möglicherweise handelt es sich aber auch um die berühmte Henne-Ei-Konstellation - pardon: die Unsicherheit, was Ursache und was Wirkung ist. Immerhin hat mir vor kurzem der Betreuer eines Shops, bei dem ich mich via E-Mail beklagt habe, geantwortet, sie würden vorläufig nichts ändern, zumal der Umsatz im Web nur etwa 6% betrüge. Da aber 62 von 100 Österreichern laut Statistik einen Internet-Anschluss haben, ist wohl die Frage erlaubt, ob sich (noch) zu wenige für die Shops interessieren oder ob sie einfach nur daran scheitern? Glaubt man der Statistik über die Geschäftsabbrüche, dann wäre es jedenfalls Zeit zu handeln.

Auf in die Zukunft!

Apropos handeln: Da fällt mir gerade ein, dass ich meinen Bekannten nochmals einladen könnte, um bei dieser Gelegenheit mit mir und meinem Screen Reader einen kleinen Einkaufsbummel zu machen. Was alleine gelegentlich in Frustration mündet, könnte sich zu zweit zu einer echten Symbiose, also einer Gemeinschaft zu beiderseitigem Nutzen entwickeln.

Wie man mit einem Screen Reader Webseiten liest? Lesen Sie dazu Surfen ohne Monitor.

Nachtrag

Nicht alle Shops sind schlecht bedienbar:

Vorsatz

"Wenn ich einmal sehr gute Nerven habe, dann werde ich trotz allem einmal im virtuellen Supermarkt einkaufen und dieses denkwürdige Ereignis auch in meiner Serie "Surf-Alltag" dokumentieren - und sei es nur als Gedächtnisstütze für meine nächste Shopping-Tour."

Kurze Zeit später habe ich diesen Vorsatz in die Tat umgesetzt:
Eine Virtuelle Shopping-Tour.

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