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Weihnachtskekse backen ist wie eine Begegnung mit der Wärme und Geborgenheit meines Elternhauses.

Wenn meine Küche zur Backstube wird

Dezember 2007

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Es ist wieder so weit: Die steinharten Nüsse sind von ihren Schalen befreit und sorgsam in Behältern verstaut, die Nussmühle und die bunten Dosen stehen in der Küche bereit. Auf dem Fensterbrett stapeln sich allerlei Zutaten und die Arbeitsplatte ist leergeräumt. All diese Vorbereitungen hat mein Mann Hannes getroffen, während ich noch auf dem Weg von der Arbeit nach Hause war, sodass ich mich ohne Verzögerung in mein alljährliches Vergnügen stürzen kann. Mir ist immer so, als könnte es ohne den Duft selbst gebackener Kekse und die damit verbundene Unordnung in meiner Küche nicht wirklich Weihnachten werden.

Ich wiege die Nüsse für Großmutters Vanillekipferl-Rezept (doppelte Masse!) und schiebe sie ans Ende der Arbeitsfläche, wo Hannes bereits die Nussmühle montiert hat. Nüsse reiben ist sein Part.

Gewichterwaage

Ich kehre zur Waage zurück, ein altmodisches Ding mit zwei Waagschalen und einem Satz Gewichte in den unterschiedlichsten Größen - ein Erbstück meiner Großmutter. Ich verwende dieses museale Stück keineswegs aus purer Nostalgie, sondern vor allem aufgrund rein praktischer Erwägungen: Dieses simple System zweier Waagschalen mit den Gewichten in der einen und dem Wiegegut in der anderen ist einfach unschlagbar und stets zuverlässig. In Sekundenschnelle abzutasten, ob die beiden Zungen parallel stehen, ist den modernen und elektronischen Wiegeeinrichtungen in Tempo und Genauigkeit weit überlegen, deren Skalen ich ohnehin nicht ablesen kann. Und eine Waage mit Sprachausgabe? Nein, niemals! Die hat in meiner Küche nichts zu suchen und würde mich daran hindern, in die Atmosphäre meiner Kindertage einzutauchen.

Ich siebe das Mehl aufs Brett, schneide die Butter in Würfel, stelle die inzwischen gemahlenen Nüsse und den Zucker, in den ich ausreichend Vanillezucker gerührt habe, in Reichweite, lege die Keksdosen mit Folie aus, stelle die Backbleche bereit und schalte das Backrohr ein. Es kann losgehen!

Und während ich den Teig knete, ihn ausrolle, in Stücke schneide und Kipferl forme, wandern meine Gedanken zurück in jene Zeit, die ich mit dem jährlich wiederkehrenden Ritual heraufbeschwöre, jene glückliche Kindheit, in der mich nicht nur die Hitze des Backofens, sondern noch mehr die Wärme meines Elternhauses schützend umgeben hat.

Die "Kekse-Konferenz"

Ich verbrachte meine Schulzeit nicht, wie die meisten Kinder, in meinem Heimatort, sondern in einem Internat, das an die Blindenschule angeschlossen war und kam nur an den Wochenenden und Ferien nach Hause. An einem dieser Wochenenden Ende November oder Anfang Dezember stapelten sich in unserer Küche Mutters und Großmutters Kochbücher und der Familienrat, bestehend aus meinem Vater und mir, beschloss, welche Sorten Kekse heuer gebacken werden sollten. "Aber heuer mache ich nicht so viele wie letztes Jahr", sagte dann meine Mutter und wir nickten zustimmend, denn im letzten Jahr hatte sie es glücklich auf 17 unterschiedliche Sorten gebracht und wir hatten volles Verständnis dafür, dass ein solcher Aufwand zusätzlich zu ihrer schweren Arbeit in der Fabrik eigentlich unzumutbar sei. Dies schon deshalb, weil weder mein Vater noch ich eine wirklich große Hilfe waren.

Wir strichen also bereitwillig einige Sorten wieder von unseren Wunschzetteln und beendeten die "Kekse-Konferenz".

Chaos in der Küche

Die nächsten Wochenenden waren für mich die reinste Seligkeit, weil ich in der Küche beim Backen helfen durfte. Ich glaube kaum, dass ich für meine Mutter eine große Hilfe war, eher im Gegenteil, aber es machte ihr wohl ebenso viel Freude mich in die emsige Backtätigkeit mit einzubeziehen wie mir. Natürlich bereitete sie die meisten Kekse an den Wochentagen und somit während meiner Abwesenheit zu, also ohne den kleinen Störenfried, der ständig vom Teig naschen und ununterbrochen Fragen stellen musste. Aber die Vanillekipferl bereiteten wir fast immer gemeinsam zu, zumindest bis ich zu einer pubertierenden Jugendlichen wurde, die sich für das weihnachtliche Geschehen in der Küche wenig interessierte.

Aber als Zehnjährige war ich genauso weit davon entfernt wie heute, die Betriebsamkeit in der vorweihnachtlichen Küche "uncool" zu finden. Mit Feuereifer versuchte ich Monde, Sterne und andere Figuren auszustechen oder ärgerte mich, wenn eines der zarten Gebilde beim Abräumen des heißen Backblechs in meinen Fingern zerbrach. Ich war untröstlich, weil es mir nie gelang, die Schokoladeverzierungen auch nur annähernd so zart und regelmäßig anzubringen wie meine Mutter und ich war überglücklich, wenn ich ganz alleine ein Backblech mit wenn auch recht unterschiedlich großen und oft verbogenen Vanillekipferln gefüllt hatte. An diesen Unregelmäßigkeiten hat sich übrigens bis heute nichts geändert, aber ich kenne niemanden, der meine Kipferl deswegen auf dem Teller hätte liegen lassen.

Mein Vater war während unserer Backtätigkeit unauffindbar. Er konnte die mit Mehl bestaubte und Schokoladenklecksen verunzierte Arbeitsfläche ebenso wenig leiden wie den mit Fettspritzern versehenen Herd, die verklebten Griffe und die kleinen Teigstückchen auf dem Fußboden - der Großteil des Chaos' durch seine eifrige, aber wenig achtsame Tochter verursacht.

"Verpackte Freude"

Wenn dann das letzte Backblech aus dem Gasherd gezogen und abgeräumt war, meine Mutter das "Schlachtfeld" feinsäuberlich aufgeräumt und geputzt hatte, dann durfte ich noch dabei helfen, die fertigen Kunstwerke in gleichmäßigen Stapeln in Pappschachteln zu schlichten. Mein ganzer konzentrierter Ehrgeiz war darauf gerichtet, ja nichts zu zerbrechen; und wenn dennoch das eine oder andere Stück zu Bruch ging, dann legte ich es sorgfältig auf einen bereitgestellten Teller. Es war sicher kein Zufall, dass zu diesem Zeitpunkt mein Vater wieder in der Küche auftauchte und es ärgerte mich sehr, dass seine große Hand immer wieder auf den Teller langte. Aber ich war selten schnell genug, ihn davon abzuhalten etwas zu stibitzen.

"15 Sorten", verkündete meine Mutter abschließend, stolz darüber, dass es nun doch um zwei weniger waren als im letzten Jahr und ich glaube, ebenso zufrieden, dass nun mehr Ruhe in die Küche einkehren würde.

Es riecht nach Kindheit

Mehrere gefüllte Keksdosen

Ich schiebe das 6. und letzte Blech ins Backrohr, stelle meinen tastbaren Küchenwecker auf sieben Minuten und beginne das andere inzwischen etwas abgekühlte Blech zu leeren und die Kipferl in Zucker zu wälzen. Und während ich die wenigen zerbrochenen Stücke ebenso sorgfältig wie früher auf einen Teller schlichte - Hannes hat nahtlos die Rolle meines stibitzenden Vaters übernommen und sorgt dafür, dass der Teller gleich wieder leer ist -, halte ich stumme Zwiesprache mit meiner Mutter, die vor zwei Jahren gestorben ist, und danke ihr im Stillen für die vielen gemeinsamen Stunden in unserer überheizten Küche, wo sie mir nicht nur ein Stück Backtradition, sondern vor allem viel Wärme und Geborgenheit vermittelt hat.

Keksteller

Ich backe keine 17 oder 15 Kekssorten, sondern nur fünf und frage mich dabei immer, wie meine Mutter das alles neben ihrer Schichtarbeit und dem Weihnachtsputz unseres Hauses nur geschafft hat. Aber die Tradition, Ende November in meiner Rezeptsammlung zu wühlen und mich bei den klingenden Namen wie Mokketti, Linzer Sterne, Kirschtaler, Negerbrot oder Karlsbader Nusssterne - die Lieblingssorte meiner Mutter - an mein Elternhaus zu erinnern, halte ich ebenso in Ehren wie Großmutters Vanillekipferl-Rezept.

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1 Kommentar

  1. Marion schrieb am Dienstag, 01.12.20 11:17 Uhr:

    Das ist ein wunderbarer Text, liebe Eva! so lebendig und einfühlsam.

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