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Von Wörtern, die um die Bedeutung herum schleichen wie die Katze um den heißen Brei.

Zum besseren Verständnis

11.02.2010

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Nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund haben so ihre liebe Not mit der deutschen Sprache. Auch ich fühle mich gelegentlich überfordert.

Ich versuche es an zwei Beispielen zu verdeutlichen:

Wenn wir von einer "älteren Dame" sprechen, so meinen wir in der Regel eine, die jedenfalls jünger ist als eine "alte Dame". Ähnlich verhält es sich auch mit jemandem in den so genannten "besten Jahren", denn für diese Person sind meist die "guten Jahre" schon vorüber.

Wir verwenden also für eine Abschwächung von Fakten und/oder aus Höflichkeit paradoxerweise genau jene grammatikalische Form, die dafür am denkbar schlechtesten geeignet ist, nämlich den Komparativ oder gar den Superlativ.

Vermutlich fragen Sie sich, warum ich damit ein Problem habe oder mir diese Beobachtung wichtig genug scheint, um darüber zu schreiben.

Die Antwort ist ganz einfach: Ich halte diesen Umgang mit unserer Grammatik für eine symptomatische Spiegelung gesellschaftlichen Gedankenguts - oder besser gesagt: gesellschaftlicher Zwänge oder Gedankenlosigkeit. Da wird genauso oft abgeschwächt wie übertrieben, vor allem aber um den heißen Brei herumgeredet - und das nicht immer aus purer Rücksichtnahme auf eventuelle Befindlichkeiten.

Vielleicht verdeutlicht ein weiteres Beispiel jenseits der Grammatik genauer, was ich meine:

Sicher haben Sie schon oft genug etwas von "Menschen mit besonderen Bedürfnissen" gehört. Vermutlich war Ihnen nicht sofort klar, wer damit gemeint ist, geschweige denn, worin denn genau diese speziellen Bedürfnisse bestehen. Schließlich haben wir doch alle "besondere Bedürfnisse" - oder etwa nicht?

Woher also kommt die Scheu, von behinderten oder - präziser - von gehbehinderten, sehbehinderten, blinden, alten oder gehörlosen Menschen zu sprechen, sofern dies mit dem nötigen Respekt geschieht, dem Menschen grundsätzlich einander schulden?

Es will mir scheinen, dass wir langsam verlernen, die Dinge beim Namen zu nennen, weil wir dies für unhöflich, peinlich oder für nicht gesellschaftsfähig halten.

Kommunikation ist keine Einbahn

Auf der einen Seite hindern also gesellschaftliche oder kulturelle Vorgaben - ob nun erlernt oder eingebildet - die einen daran, dort Fragen zu stellen, wo Wissen einfach notwendig ist,. Auf der anderen Seite haben auch behinderte Menschen offenbar nicht ausreichend gelernt, über ihre Art zu leben und die Welt wahrzunehmen sowie die damit verbundenen organisatorischen Besonderheiten zu informieren. Woher also soll der sprichwörtliche "Mann von der Straße" denn Bescheid wissen?

Für alle, die es wissen wollen

Darum gewähre ich auf diesen Seiten Einblick in meine Art der Wahrnehmung und meine Art zu leben, über Freuden und Ärger, heitere und traurige Begebenheiten, seien sie nun aufgrund "besonderer Bedürfnisse" entstanden oder auch einfach nur Teil eines - zumindest für mich - ganz normalen Lebens.

Und genauso, wie ich mich nicht scheue, Einblick in meine Art zu leben zu geben, stört es mich auch wenig, wenn mir jemand Fragen dazu stellt.

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2 Kommentare

  1. Fritz schrieb am Donnerstag, 11.02.10 23:47 Uhr:

    Hallo Eva,

    kann es sein, dass speziell der von dir angeprangerte Ausdruck "Menschen mit besonderen Bedürfnissen" einfach gedankenlos aus dem Englischen übernommen wurde? "People/Customers/Guests etc. with special requirements" heißt es dort. Wie bequem ist das doch: Übersetzen statt Denken. Und die "political correctness" gibt es gratis dazu.

  2. Eva schrieb am Freitag, 12.02.10 11:23 Uhr:

    Hallo Fritz,
    die Übersetzung aus dem Englischen ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Ich habe nie in einem englischsprachigen Land gelebt und weiß daher nicht, ob im täglichen Sprachgebrauch diese Formulierung mehr Aussagekraft hat. Von der Wortbedeutung her für mich jedenfalls kaum.

    An "den Pranger stellen" wollte ich diese Formulierung eigentlich nicht, nur darauf hinweisen, wie unvollständig sie ist. Verschleierung und Vernebelung trüben nicht nur im realen Leben die Sicht auf die Fakten. Auch in unserem Sprachgebrauch hemmen sie den natürlichen Umgang miteinander und verzögern oder verhindern als logische Konsequenz Verstehen bzw. Verständnis für das nicht näher spezifizierte "besondere Bedürfnis".

    "Besonderen/speziellen Bedürfnissen", ob nun im Zusammenhang mit einer Behinderung oder einfach nur im täglichen Zusammenleben mit Menschen kann doch nur dann entsprochen werden, wenn sie klar umrissen und somit bekannt sind.

    Dass unsere Sprache ein probates Mittel ist, um das gegenseitige Verstehen zu fördern, liegt auf der Hand. Wir brauchen es bloß noch zu nutzen. Manchmal reichen Worte nicht aus und oft sind sie fürs Verstehen gar nicht nötig. In den meisten Fällen ist die Sprache aber das geeignetste Werkzeug zur Verständigung und zu schade, um es zu "verbiegen".

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