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Über die eigenen Schwächen und die sich daraus ergebenden komischen Situationen lachen zu können, kommt der Befreiung aus einer Umklammerung gleich.

Zum Schmunzeln - ist ja Fasching

16.02.2010

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Die meisten Menschen empfinden verständlicherweise Blindheit als er- oder gar abschreckend. Für mich ist sie nach einer nicht leichten Lernphase zum Alltag und damit zu meiner normalen Wahrnehmungswelt geworden.

So frage ich mich vor dem Einkaufen nicht mehr vorrangig, wie ich den Eingang des Geschäfts finde, sondern was ich unbedingt einkaufen muss. Beim Überqueren einer Straße steht trotz aller Vorsicht auch nicht die Angst vor dem Überfahrenwerden im Vordergrund, sondern eher die Ungeduld, weil ich die Straßenbahn in die Station einfahren höre und sie gerne erreichen möchte.

Und ich habe gelernt auch über mich und meine Unzulänglichkeiten aufgrund der gegebenen und nicht zu ändernden Behinderung zu lachen. Zum Beispiel über so kleine Episoden wie die folgenden.

Knapp vorbei ist auch daneben

Als ich mit etwa 20 Jahren in meine eigene Wohnung zog, war ich mächtig stolz auf mein "kleines Reich" von nur 26 Quadratmetern, das ich gerne scherzhaft als "Schlafküche mit Wohnbad" bezeichnete.

Aber mit dem Alltag und seinen Anforderungen allein zurecht zu kommen, war auch eine große Herausforderung. Die Wege zu Lebensmittelhändler, Reinigung, Bank und anderen notwendigen Einrichtungen musste ich nun selbst erforschen oder irgendwie in Erfahrung bringen.

Ich ließ mir daher von einer freundlichen Hausbewohnerin, die ich öfter auf meinem Arbeitsweg traf, den Weg zum nächstgelegenen Postamt beschreiben. Aus der Beschreibung wurde ich aber nicht wirklich klug, weil die erwähnten Anhaltspunkte wegen meiner rasch fortschreitenden Sehbehinderung für mich einfach nicht zu erkennen waren. Und nachfragen mochte ich nicht.

Nach langer erfolgloser Suche hielt ich beinahe verzweifelt einen Passanten an und fragte ihn nach dem Postamt. Er stutzte und sagte dann etwas irritiert: "Drehen Sie sich einfach um. Es ist genau hinter Ihnen."

Zu dieser Zeit war mir mein Missgeschick ziemlich peinlich. Die Komik darin konnte ich erst Jahre später entdecken.

Zu zweit lacht es sich leichter

Etwa zur selben Zeit war auch eine gute Bekannte, ebenfalls stark sehbehindert, auf Wohnungsuche. wir hatten die Adresse eines Maklerbüros auf der Mariahilfer Straße bekommen und suchten nun nach der Hausnummer 67.

Weder meine Bekannte noch ich konnten die Hausnummern lesen, also beschlossen wir Passanten zu fragen. Die beiden ersten Versuche scheiterten, denn es handelte sich um Touristen, die kein Deutsch verstanden. Bei der dritten Person, einer Frau in mittleren Jahren, hatten wir Glück.

"Können Sie uns bitte sagen, wo die Hausnummer 67 ist? Das muss hier irgendwo in der Nähe sein", sagte meine Bekannte. "Tut mir leid", kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen, "aber ich bin hier fremd!"

Ich war unhöflich genug, in schallendes Gelächter auszubrechen, hätte doch ein Blick nach oben zumindest Klarheit darüber geschaffen, vor welcher Hausnummer wir uns gerade befanden. Auch richtig fragen will eben gelernt sein.

Auf Abwegen

Etliche Jahre später, als ich in einer Großbank arbeitete, war mein Sehvermögen auf die Eindrücke von hell und dunkel geschrumpft und ich hatte mehr schlecht als recht gelernt, die Informationen meines Gehörs und des Langstocks als Orientierungshilfe zu nutzen.

Vor mir ging eine Dame mit sehr laut klappernden Absätzen und ich beschloss, ihr bzw. diesem markanten Geräusch zu folgen. Hinter jemandem herzugehen, ist meist ungefährlich, denn man darf ja mit Recht annehmen, dass die Person eventuell Hindernisse umgeht.

Ich folgte daher den laut klappernden Absätzen in konstantem Abstand und zügigem Tempo. Allerdings war ich nicht aufmerksam genug, was die Gehrichtung der Dame anlangte, und so stand ich unerwartet in einem Geschäft und musste erst recht meinen Weg aufs Neue suchen.

Ich stehe in der Zeitung

Etwa zur gleichen Zeit war ich auf dem Weg von meinem Büro zur U-Bahn und musste die große Bahnhofshalle durchqueren. Sie war zu dieser Zeit Großbaustelle und die Presslufthämmer eifrig am Werk, den Tunnel für die neue U-Bahnlinie (U3) zu buddeln.

Das Gedränge war groß und noch größer der Lärm, den die Baumaschinen verursachten, die mir die Ohren zudröhnten. Verwertbarer akustischer Eindrücke beraubt, suchte ich nur mit Hilfe meines Langstocks meinen Weg.

Da stieß mein Kopf plötzlich gegen ein weiches Hindernis. Ich blieb abrupt stehen und erkannte mit Staunen, dass es sich um raschelndes Papier handelte. Vor mir stand ein offensichtlich sehr großer Mann, und ebenso offensichtlich las er im Gehen in der Zeitung.

Diese senkte er nun erschrocken und ich tauchte unter dem ungewöhnlichen Papierhut auf. Als wir uns beide von unserer Überraschung erholt und die in solchen Situationen üblichen Entschuldigungen ausgetauscht hatten, fanden wir höchst interessant und sehr komisch, was manchmal "so in der Zeitung steht".

Und jetzt gehe ich feiern!

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