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Kommunizieren bedeutet, eine Ausdrucksmöglichkeit zu finden, die beide Gesprächspartner verstehen können.

Verständigungsschwierigkeiten

13.06.2010

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Blind im Supermarkt einkaufen ist für mich unter normalen Umständen schon eine Gratwanderung zwischen Abenteuer und Masochismus. Wenn die Lebensmittel aber auch noch um 10 % reduziert sind, mutiert die Beschaffung derselben durch den enormen Kundenandrang zum Halbtagsprogramm. Glücklicherweise gibt es in unserem Supermarkt zumindest für Brot und Gebäck sowie Käse- und Wurstwaren einen Verkaufsstand, den ich gerne nutze, um langes Suchen in Regalen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Gespräch an der Theke

Ich bin dran: "Was bekommen Sie?" - "15 Deka (für deutsche Leser: 150 Gramm) vom Toastschinken - ungefähr", füge ich hinzu, denn beim Kauf am Stück lässt sich das nicht so genau abschätzen. - "Geht das so", will die Verkäuferin wissen, und obwohl ich es nicht sehen kann, weiß ich, dass sie mir jetzt die Stärke der schnitte zeigt. Sie hat wohl mein Blindenkennzeichen nicht gesehen, das ich immer trage. "Es muss nicht ganz genau sein, nur ungefähr", versuche ich es nochmals und werde, genau wie die Verkäuferin, langsam unruhig, denn hinter mir warten noch viele Leute, keineswegs alle geduldig.

Da hilft eine wartende Kundin nach: "ungefähr fingerdick", sagt sie und vermittelt mir genau jene Information, die ich jetzt benötige. Ich bedanke mich, gebe der Verkäuferin Bescheid und verlange beim Räucherkäse eine ungefähr 3 cm starke Schnitte.

"Die haben wir auch abgepackt in der Vitrine", informiert sie mich freundlich und realisiert noch immer nicht, dass ich die Aufschriften auf den abgepackten Lebensmitteln ja nicht lesen kann. Hätte ich es ihr sagen sollen? Angesichts des Kundenandrangs habe ich es jedenfalls unterlassen.

Verbal statt visuell

Die hier geschilderte Kommunikationsschwierigkeit ist mit ziemlicher Sicherheit auf eine Art Stresssituation zurückzuführen. Meine Bestellung war einerseits nicht eindeutig genug, und die Verkäuferin hinter der Theke hatte alle Hände voll zu tun.

Trotzdem mache ich immer wieder die Beobachtung, dass Kommunikationsschwierigkeiten meist weniger situations- als persönlichkeitsbedingt sind. Die hilfreiche Kundin hatte ebenfalls Stress, und zwar mit dem recht ungeduldigen Kleinkind, das ganz bestimmt den Großteil ihrer Aufmerksamkeit gefordert hat. Trotzdem hat sie quasi nebenbei unser Kommunikationsproblem ebenso einfach wie genial und vor allem prompt gelöst. Dass dies nun auf spezielle Erfahrungen mit blinden Menschen zurückzuführen ist, wage ich zu bezweifeln. Vielmehr glaube ich an eine persönliche Eigenschaft, die man mit Aufmerksamkeit und Flexibilität, wenn auch unzureichend, beschreiben könnte.

Eines steht für mich aber fest: Viele Menschen haben große Schwierigkeiten, Vorgänge und Situationen verbal auszudrücken. "Der Sitzplatz da drüben", "die Busstation dort vorne" oder "der Eingang ist dort", von entsprechenden Handzeichen begleitet, sind ja auch für die meisten Fragesteller eindeutig genug.

Aber mir begegnen auch immer wieder Menschen wie die oben erwähnte Kundin, die - warum auch immer - einen anderen Zugang zu umfassender Kommunikation haben. Dann bekomme ich Informationen wie "Rechts hinter Ihnen ist ein Sitzplatz", "die Busstation ist genau gegenüber" oder "den Eingang finden Sie etwa 20 Meter weiter, ein Doppeltor, von dem immer eine Hälfte geöffnet ist."

Auch mir fällt es nicht immer leicht, Beschreibungen so zu formulieren, dass die meist stark visuell orientierten Fragesteller ausreichend Informationen erhalten. Ich weiß ja nichts von der neuen blinkende Leuchtreklame, die weithin sichtbar ist und oft genug denke ich auch nicht daran, Firmenschilder als Orientierungshilfe zu nennen.

Nach meinem gestrigen Erlebnis werde ich mich künftig jedoch mehr bemühen, in meine Beschreibungen mehr visuelle Informationen einfließen zu lassen - versprochen!

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1 Kommentar

  1. Fritz schrieb am Montag, 14.06.10 23:46 Uhr:

    Hallo Eva,

    warum wohl fällt mir als Kommentar zu diesem Thema ein Scherz aus Kindertagen ein:
    "Bitte beschreibe eine Wendeltreppe."
    Ich fürchte, ich würde noch heute an der Aufgabe scheitern, wenn ich keine Gesten benutzen dürfte.
    Es bedarf einer besonderen Anstrengung, oder aber Übung, in der Kommunikation auf Mittel zu verzichten, die einem gewohnheitsmäßig zur Verfügung stehen: Gesten und Mimik.

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