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Heißt eine Mail versenden etwa "sie aufgeben"?
"Weitergeleitet" — ein Synonym für erledigt?
02.02.2022
(Nach einer genau zweijährigen Schreibpause habe ich ein zumindest vages Bedürfnis, mich zu einer Sache zu äußern, die mir schon länger sauer aufstößt.)
"Wir haben Ihre Nachricht an die zuständige Stelle weitergeleitet ..." Keine Ahnung, wie oft ich das in den letzten Jahren gelesen und danach sehr häufig nichts mehr von meinem Anliegen gelesen habe. Vorausgesetzt natürlich, es findet sich überhaupt eine E-Mail-Adresse, an die man schreiben kann!
Es ist wie das Abspielen der ewig selben Schallplatte, und mit jedem Mal ist sie abgedroschener. "Weitergeleitet" interpretiere ich längst nicht mehr als Kundenbetreuung und Hilfestellung, sondern als "Gott sei Dank, das Problem bin ich los".
Oftmals bedeutet "Weiterleitung" etwa bei gemeldeten Barrieren — ob nun auf Webseiten, empfangener Dokumente oder bei Apps auf Smartphones — möglicherweise, dass mein Anliegen nicht wichtig genug und offenbar keiner fachlichen Antwort würdig ist. Nicht einmal Apple bildet da eine Ausnahme, und die haben nun wirklich im Laufe der Jahre, die es das iPhone gibt, bewiesen, dass sie Barrierefreiheit ernst nehmen und — was ebenso wichtig ist — Auch etwas davon verstehen.
Ob hilflose Unwissenheit, fehlende Kontrollmechanismen und gelegentlich auch Ignoranz oder mangelndes Interesse — ein "weitergeleitetes" Problem bedeutet oft genug keineswegs das Bemühen um eine Lösung. "Weitergeleitet" scheint eher ein Synonym zu sein für "erledigt", "vom Tisch".
Woher nur kommt dieser laxe Umgang mit Kundenbeschwerden? Wie kann es sein, dass dieselben Leute, die Zeter und Mordio schreien, wenn ein Handwerker nicht zur Zufriedenheit gearbeitet hat, dort, wo sie nicht selbst bezahlen müssen, sondern bezahlt werden, einfach "weiterleiten"? Es scheint sich ähnlich zu verhalten wie mit dem Autofahrer, der über die Fußgänger Schimpft, aussteigt, zum Fußgänger wird und dessen Unmut sich plötzlich gegen die Autofahrer richtet.
Handelt es sich bei diesem Phänomen um eine Ausdrucksform unserer Zeit? Haben uns Stress und Überlastung so sehr in ihren Klauen, dass es wie in einem Callcenter nicht mehr darauf ankommt, wie viele Kunden zufriedenstellend betreut wurden, sondern nur, wie viele Anrufer "weitergeleitet" wurden? Oder verlieren sich die spuren menschlicher Probleme einfach nur nach und nach, werden sozusagen in kleine Häppchen aufgeteilt, rutschen durch die engen Maschen des Netzes oder kommen wie bei dem Spiel "Stille Post" falsch oder vielleicht gar nicht an der Bestimmungsstelle an?
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man Kundenprobleme oft genug nicht selbst lösen kann und damit ist die Weiterleitung an eine kompetente Stelle grundsätzlich die richtige Reaktion. Aber ebenso oft gibt es keine griffigen Kontrollmechanismen, die nach einer Weiterleitung das Problem verfolgen und überprüfen, ob es auch einer Lösung zugeführt wird. Nicht alle Probleme lassen sich lösen. Aber werden wirklich aus dieser Erkenntnis auch Konsequenzen gezogen?
Je mehr Zeit von der Meldung eines Problems bis zum Eingang an der richtigen Stelle vergeht, desto kleiner und unbedeutender scheint es zu werden. Vielleicht erledigt es sich sogar von selbst? ...
Nein, tut es nicht! Also immer schön am Ball bleiben und nicht aufgeben.
An dieser Stelle ist ein herzliches Dankeschön an all jene Hotline-Mitarbeiter fällig, die ihre Arbeit ernst nehmen, sich mit den Kundenproblemen auseinander setzen und in einer Antwort sich nicht mit einem Textbaustein begnügen, sondern darüber hinaus sachlich auf das aufgezeigte Problem eingehen. Weiter so und lasst euch nicht entmutigen!
2 Kommentare
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Ich behalte mir vor, Einträge wider die guten Sitten oder den guten Geschmack zu entfernen, möchte meine Leser jedoch ausdrücklich zu themenbezogenen Kommentaren oder Fragen ermutigen.
Fritz schrieb am Samstag, 05.02.22 13:28 Uhr:
Hallo Eva,
na, hast du dich nach langer Zeit wieder aufgerafft … ;-)
Ich hatte kürzlich ein Erlebnis, das auch mit Weiterleitung zu tun hatte. Ich wäre gerne, bin aber nicht weitergeleitet worden. Was es damit auf sich hat, und der (sehr techniklastige!) Hintergrund, hat mich meinerseits zu einem Blogpost veranlasst:
https://webdesign.weisshart.de/nicht-weitergeleitet.php
Eva schrieb am Samstag, 05.02.22 14:16 Uhr:
Mein Beitrag war kaum online, als der nächste Fall eintrat: bisher zweimal weitergeleitet mit einem Versprechen der Kontaktaufname.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.