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Mein iPhone
Siri - Gratwanderung zwischen Spielzeug und natürlicher Kommunikationsmethode?
Ein Tag mit Siri
11.11.2011
24 Stunden sind sicher zu kurz, um ein endgültiges Urteil abzugeben. Aber darum geht es mir auch nicht, sondern vielmehr um einen ersten Eindruck über das, was in der Beta-Phase bereits vorhanden ist. Noch wichtiger scheint mir der Versuch einer Einschätzung, wohin sich Siri entwickeln könnte.
Vorsichtige Annäherung
Ich komme mir immer komisch vor, wenn ich mit einem Gerät spreche. Ich mag weder im Gehen telefonieren noch in ein Mikrofon sprechen. Darum wundert es mich auch gar nicht, dass ich vor meiner ersten Unterhaltung den Finger einige Sekunden auf dem Home-Button liegen hatte, bevor ich mich zur ersten Frage überwinden konnte. Gesagt habe ich dann auch nur ein einziges Wort, nämlich "Hilfe". Siri antwortete mit einem ganzen Bildschirm an Beispielen, wie ich mich verständlich ausdrücken kann. Das banalste davon, nämlich die Frage nach dem Wetter für morgen, habe ich dann auch für meinen 2. Versuch gewählt. Die prognostizierten 46 Grad haben mich zuerst erstaunt und mir dann das 1. Lächeln entlockt: 46 Grad Fahrenheit natürlich und ganz sicher leicht zu korrigieren, zumal die Anzeige der Gradangaben auch auf meinem iPhone korrekterweise in Celsius erfolgt.
Ob Bug oder Feature - das Eis war gebrochen.
Erforschen darf auch Spaß machen
Ich habe schon einige Podcasts über Siri gehört und etliche Artikel gelesen. Warum also nicht ein wenig herumspielen, um die Arbeitsweise kennen zu lernen?
Also wollte ich von Siri wissen: "Was ist Siri?" Die Antwort erstaunte mich dann doch etwas: "Siri? Wer ist das?" Mal überlegen, welche Frage ich als nächstes stelle.
Das iPhone in meiner Hand ist ein Leihgerät und ich habe meine persönlichen Daten nicht aus dem Backup aufgespielt, es ist also als neues iPhone eingerichtet. Meine Frage "Wer bin ich" beantwortet Siri leger: "Ich weiß nicht, wer du bist. Verrätst du es mir? Du kannst deine persönlichen Infos in den Einstellungen aktualisieren, dann weiß ich's." Darunter erscheint "Einstellungen", Ich tippe darauf und lande erwartungsgemäß in den Einstellungen. Aber wie es mit der Identifikation weitergeht, verrät mir Siri leider nicht. Nur gut, dass ich das weiß.
Ein paar Versuche mit Wetter- und Datumsabfragen funktionieren erwartungsgemäß gut, interessieren mich aber nur mäßig.
Auf die Frage nach ein paar Aktienkursen antwortet Siri prompt. Bisher habe ich mich um diesen Bereich überhaupt nicht gekümmert und die Anwendung Aktien in den Ablage-Ordner verbannt. Aber warum sich zwischendurch nicht schnell erkundigen, wenn es keine Mühe macht?
Genug gespielt!
Auf diesem iPhone befinden sich weder Kontakte noch Termine und Siri weiß das auch. Auf meine Frage: "Was muss ich tun?" kommt umgehend die Antwort: "Ich konnte keine Besprechung finden." Aha, so funktioniert das also.
Auch den Kalender des iPhone habe ich bisher nie genutzt. Mein Organizer erledigt das für mich. Ich habe daher absolut keine Ahnung von der Bedienung des Kalenders; ich glaube, ich hatte ihn noch nie geöffnet. Das sind wohl die besten Voraussetzungen für einen Test.
Aber vorab teste ich Siri: "Welche Termine habe ich heute." - "Du hast für heute nichts im Kalender." Ganz richtig. "Termin erstellen" lautet daher meine nächste Anweisung und Siri fragt zurück, wann der Termin sein soll, worüber ich bereitwillig Auskunft gebe. Zu welchem Thema der Termin sein soll, fragt Siri nicht. Vermutlich hätte ich das gleich dazu sagen sollen. Ich bin wohl zu wortkarg - eine ganz neue Eigenschaft an mir, die wohl kaum jemand in meinem Bekanntenkreis mit mir assoziieren würde.
Schließlich entdecke ich auf dem Bildschirm ein Eingabefeld, also ergänze ich meinen Termin mit der virtuellen Tastatur. Sicher ginge es auch anders, aber ich möchte ja testen, wie intuitiv das System bedienbar ist.
Danach lege ich noch einen Termin für den nächsten Tag an und frage Siri anschließend: "Welche Termine habe ich heute?" Darauf Siri: "Siri: Ich habe diese Termine in deinem Kalender gefunden: ..." Den Termin selbst spricht Siri nicht, das erledigt VoiceOver.
Und wie ist das mit dem Löschen? Ich gehe aufs Ganze, denn bei einem fast leeren Kalender habe ich nichts zu verlieren: "Kalender löschen" befehle ich Siri, aber das System ist klüger, als ich denke, denn Siri lässt mich wissen, dass es nur jeweils einen Termin löschen darf.
In weiteren Versuchen erfahre ich, dass Siri keine Kontakte anlegen darf, wofür ich volles Verständnis habe - schon wegen der möglichen Fehlerquellen bei Eigennamen. Auf der anderen Seite antwortet Siri auf meine Frage: "Wo wohnt Anna?" mit der Anzeige der Adresse des von mir eingegebenen fiktiven Kontakts.
Zum Abschluss weise ich Siri noch an, um 16 Uhr den Wecker zu stellen, da ich das Gerät ja am nächsten Morgen nicht mehr habe. Darüber hinaus beauftrage ich Siri noch, mich um 15 Uhr an meine Besprechung zu erinnern. Beides wird verstanden und, wie sich später zeigt, auch korrekt ausgeführt.
... Und jetzt die ganze Hand
Das klappt ja erstaunlich gut. Also überlege ich mir, in welchen Situationen ich Siri in meinem Alltag am ehesten benötige. Spontan fallen mir etliche Aufgaben für Siri ein.
Da ist zum Beispiel das Ein- und Ausschalten von Bluetooth. Die entsprechende Checkbox verbirgt sich aus mir völlig unverständlichen gründen ziemlich tief in den Einstellungen:
- Gerät entsperren,
- Einstellungen suchen und aufrufen,
- Bildschirm runterscrollen und Allgemein suchen,
- Bluetooth öffnen und
- den Zustand ändern.
Das sind eine Menge Handgriffe. Und da Siri mit nur wenigen Befehlen einen Termin erstellt, sollte diese im Gerät selbst fix vordefinierte Aufgabe doch erfüllbar sein. Jedoch versteht Siri absolut nicht, was ich meine. Dasselbe gilt für WLAN und den Flugmodus.
Eine weitere für mich extrem wichtige Aufgabe besteht darin unterwegs herauszufinden, wo ich mich gerade befinde. Auf meine Frage "Wo bin ich?", antwortet Siri in aller Deutlichkeit: "Ich kann keine Wegbeschreibungen, Verkehrsdaten oder Karten für dich aufrufen. Tut mir leid." (Der kleine freundliche Zusatz taucht offenbar nur beim ersten Mal auf. Bei weiteren Versuchen blieb die höfliche Floskel aus.) Wie schade! Die Anwendung Karten befindet sich genauso auf dem Gerät wie die Aktien, und eine simple Adressabfrage sollte kein Problem darstellen, zumal VoiceOver mir beim Öffnen von Karten die aktuelle Adresse problemlos vorlesen kann.
Jetzt bin ich ein klein wenig enttäuscht und frage etwas provokant im lockeren Siri-Umgangston: "Kannst du auch arbeiten?", worauf Siri offenbar beleidigt ist und schnippisch anmerkt: "Das würde ich lieber nicht beantworten."
Ob diese Antwort lediglich zur Belustigung des Benutzers gedacht ist oder symptomatisch für die Prioritätensetzung der Weiterentwicklung von Siri ist, vermag ich nicht zu prognostizieren, passt aber recht gut in mein erstes Bild.
Am besten zweimal Siri
Ohne den Umstand aus dem Blickfeld zu verlieren, dass sich Siri noch im Beta-Stadium befindet, zeichnen sich aus rein persönlicher Sicht schon jetzt ein paar Fakten deutlich ab:
Die Spracherkennung selbst ist erstaunlich gut, und das selbst in belebter Umgebung. Meine ersten Befehle habe ich Siri in einem Kaffeehaus erteilt, wo es so laut war, dass ich auch bei 100 % Lautstärke die Antwort nicht mehr verstehen konnte. Mein Gegenüber hat mir aber versichert, dass meine Frage verstanden und die antwort angezeigt wurde.
Siri versucht offenbar zu denken und zu interpretieren - frei nach dem Motto: Was könntest du denn gemeint haben? Das macht mir ein wenig Bauchschmerzen, denn wenn ich etwas bei der Interaktion mit einem Gerät benötige, dann absolute Sicherheit. Mir wäre es lieber, Siri wäre nicht ganz so clever und cool und würde sich die Freiheit erlauben, im Zweifel eine Rückfrage zu stellen. Aber diese Denkungsweise passt wohl wenig in das Konzept.
Eine herbe Enttäuschung ist für mich, dass selbst einfachste Befehlseingaben (noch) nicht funktionieren. Gerade dort könnte Siri ihre Stärken zeigen, wenn es um die rasche Bedienung geht.
Aus meiner Sicht hätte ich daher gerne zwei unterschiedliche Siri:
- Auf der einen Seite die reine Befehlsempfängerin, die sich an einen strikten Wortschatz hält, den ich vielleicht sogar - ähnlich wie bei einem Blindenführhund - selbst bestimmen und somit trainieren kann.
- Und dann die "freie" Siri, mit der ich mich unterhalten kann, also Frage und Gegenfrage, jene Siri, die auch mein Diktat aufnimmt und Gegenfragen stellt.
Brauche ich jetzt ein iPhone 4S
Ich würde mir derzeit allein wegen Siri das 4S nicht kaufen wollen. Zwar bringt Siri jetzt schon einige wirklich nützliche Vereinfachungen der Bedienung mit sich, doch würde das aus meiner Sicht den höheren Preis nicht rechtfertigen. Der schnellere Prozessor, der größere Speicher und die verbesserte Kamera würden mich da schon eher reizen. Letztere könnte sich vor allem beim Scannen von Text oder Barcodes als hilfreich erweisen.
4 Kommentare
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Martin Ladstätter schrieb am Freitag, 11.11.11 16:57 Uhr:
Ich hab Siri nun knapp 2 Wochen im Einsatz und bin sehr positiv überrascht. Jenseits der immer gleichen und gleichen Fragen, die in allen Blogs und Podcasts gestellt werden zeigt Siri für mich echt Potential.
Das Wetter schnell abfragen (für heute oder Vorschau) geht sehr gut. Schnell eine Kontakt auf den Bildschirm holen ist auch sehr nützlich. Eine Nachricht an jemanden schreiben (SMS oder so) geht auch flink.
Wirklich sehr gut ist die Spracherkennung, die hat mich sehr, sehr überrascht. Doch die Grenze zwischen genial und Totalversagen ist sehr eng. Besonders gut funktionieren SMS mit Alltagssprache "Komme gleich" usw.
Was mich an Siri echt nervt ist der blöde Bestätigungston, der selbst bei lautlos gestellten Handy nicht manuel deaktivierbar ist. Ärgerlich auch, dass bei komplexeren Aufgaben jedes Mal bei einer Frage Siri aktiviert werden muss. Aber das ganze ist halt noch Beta. ;-)
Fritz schrieb am Samstag, 12.11.11 17:33 Uhr:
Lustige Antworten von Siri sind ja zwischenzeitlich im Web Legion. Also mal ein Versuch, Siri als Produktivitätswerkzeug einzusetzen.
Das Szenario: Jemand ruft mir in Gesellschaft einen Termin zu. Ich bitte Siri, diesen Termin im Kalender einzutragen.
Das Ergebnis ist in der Mehrzahl der Fälle nicht ohne manuelle Nacharbeit brauchbar. Zumeist erkennt Siri zwar Datum und Uhrzeit, nicht oder nur fehlerhaft aber den einzutragenden Titel. Mehrmalige Rückfragen à la 'ich habe "xyz" nicht verstanden' machen die Sache auch nicht besser. Und wenn ich ohnehin in den meisten Fällen manuell nacharbeiten muss, dann lieber gleich auf herkömmliche Weise tippen.
Ähnliche Erfahrungen hab' ich mit fast allen anderen Anwendungsfällen gemacht. Vielleicht mit Ausnahme der Abfrage des Wetters. Aber ob die Wetterfrage unter Produktivitätssteigerung einzuordnen ist, sei dahin gestellt.
Mein Fazit: für produktive Arbeit (derzeit) ungeeignet. Und als Spielzeug verliert Siri seinen Reiz ganz schnell.
Eva schrieb am Montag, 14.11.11 13:49 Uhr:
Danke für eure Kommentare. Ich bin zwar sehr neugierig, wie die Entwicklung weitergeht, hege aber die stille Befürchtung, dass der Schwerpunkt beim Spaßfaktor und nicht bei der Produktivität liegen dürfte - zumindest aus jetziger Sicht.
Wie geschrieben, halte ich die Spracherkennung selbst für genial. Es ist nur die frage, wofür man sie verwendet. Mir wäre jedenfalls lieber, Siri würde weniger "denken" und sich mehr auf die Basisaufgaben konzentrieren, wenn ich das so vermenschlicht ausdrücken darf.
Sören aus Leipzig schrieb am Samstag, 05.05.12 12:41 Uhr:
Guten Tag,
Ich benutze siri eigentlich immer wenn ich irgendwelche Nachrichten schreiben muss oder längere Texte diktieren will. Der Grund liegt auf der Hand, Siri versteht sehr zuverlässig das gesagte und kann es sehr gut in Text wiedergeben. Auch die Groß und Kleinschreibung beherrscht Siri zu 90 %.
Wie auch meine Vorredner schon gesagt haben hat siti deutliche Schwächen in Sachen Programme oder Apps öffnen.
Wünschenswert in Sachen Weiterentwicklung von siri wären:
Siri versteht auch wenn ich siri sage;
Siri darf jedes Programm welches ich auf dem iPhone öffnen lässt öffnen.
Sie sollte mir stichhaltige Daten nennen können auf die Frage wo bin ich.
All diese Funktionen sollten eigentlich schon vor der Betaversion ausführbar gewesen sein, Schade Apple
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Einen schönen Tag noch
Grüße Sören