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Das gesamte Warenangebot im Supermarkt "im Griff" zu haben - das ist schon lange einer meiner Träume. Könnte er tatsächlich wahr werden?

Dafür sollte man Werbung machen

05.07.2010

Zu den (10) Kommentaren

Samstag gehen mein Mann Hannes und ich oft gemeinsam einkaufen. Manchmal entdecken wir Produkte, die wir noch nicht kennen und sind gelegentlich sogar mutig (oder neugierig?) genug, eine unbekannte Verpackung, deren Beschriftung sich für ihn nicht entziffern lässt, auf Verdacht hin mitzunehmen. Gelb auf weiß, dunkelrot auf schwarz, verschnörkelte Schriften und Miniaufdrucke machen ihm und mir das einkaufen oft genug zur Last. Oder reicht es Ihnen aus zu wissen, von welcher Firma ein Produkt ist? Uns jedenfalls nicht. Da können auch schon mal Fehlgriffe und Pannen passieren, wie ich in meinem Beitrag Dosengemüse beschrieben habe.

Normalerweise geht es also darum, genau das richtige Produkt zu finden, und das ist für uns nicht ganz einfach. Und wer, so wie ich, nicht mit "irgend etwas" zufrieden ist, sondern seinen Vorlieben frönt, macht es sich zusätzlich schwer.

Momentan geht mein Vorrat an Früchtetee im Büro zur Neige. Von meiner bevorzugten Marke gibt es sehr viele Sorten, aber am liebsten mag ich Johannisbeere-Kirsche und Blutorange.

Also zückt Hannes sein kleines Lesegerät und ich nehme die 1. Packung aus dem Regal. Was wir jetzt vor haben, ist zwar zeitraubend, aber meist Ziel führend: Wir nehmen aus jeder Reihe eine Packung - nicht die vorderste, weil die oft von Kunden falsch zurückgelegt wird - und Hannes liest die ersten Buchstaben. Den Rest erraten wir ganz einfach. Das wiederholen wir so lange, bis wir finden, was wir suchen.

Ich reiche ihm also die 1. Packung und greife bereits zur daneben liegenden. Als ich sie aus dem Regal hebe, spüre ich kleine, unregelmäßige Erhebung auf der Rückseite. Neugierig drehe ich die Packung um und dann kann ich einen überraschten und erfreuten Ausruf nicht unterdrücken. Was ich da in Händen halte, ist tatsächlich eine mit Braille beschriftete Teepackung. Ich kann es kaum fassen!

Tee-Packung mit Braille-Beschriftung

Bildbeschreibung: Auf der Milford-Teepackung steht in Braille-Schrift: Johannisbeere-Kirsche, aufgeteilt auf zwei Zeilen, weil die Beschriftung sonst zu lang wäre.

Hannes packt sein Lesegerät weg und ich suche mir zum ersten Mal ganz alleine und ohne fremde Hilfe selbst meine Lieblingssorten aus. So macht Einkaufen richtig spaß!!!

Ich danke der Firma Milford für diese großartige Einkaufserleichterung und hoffe sehr, dass diese Initiative bald Nachahmer findet.

Ich wage ja kaum daran zu glauben, dass die für Medikamenten inzwischen laut EU-Verordnung verpflichtende Braille-Beschriftung nun auch in den Supermarkt Einzug halten könnte, aber diese verlockende Aussicht ist einfach zu schön. Ich werde es künftig nicht mehr lassen können, im Supermarkt nicht nur nach meinen Lieblingsprodukten, sondern vor allem nach Produkten mit Braille-Beschriftungen Ausschau zu halten.

Ergänzung

Am 2. August erschien eine Meldung im Standard; danke an Heiko für den Link.

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10 Kommentare

  1. Fritz schrieb am Montag, 05.07.10 12:32 Uhr:

    Hallo Eva,

    nicht dass ich mich besonders für Tee mit Johannisbeere-Kirsche-Geschmack interessierte.
    Spannend fände ich allerdings die Frage nach den Herstellungskosten einer solchen Braille-Beschriftung. Was veranlasst die Firma Milford wohl dazu, die Kalkulation eines "Pfennigartikels" mit zusätzlichen Kosten zu belasten? Überzeugung für die Sache blinder Konsumenten? oder kaufmännisches Kalkül?
    Mir drängte sich sofort die Parallele mit barrierefreiem Webdesign auf. Auch in diesem Bereich gibt es immer wieder Versuche, den zweifelsohne damit verbundenen Mehraufwand kaufmännisch zu rechtfertigen, durch dem Hinweis auf zusätzlich erreichbare Kundengruppen.


  2. Eva schrieb am Montag, 05.07.10 12:49 Uhr:

    Hallo Fritz,
    Auch mich beschäftigt die Frage nach der Motivation und sobald ich darauf eine Antwort habe, werde ich natürlich darüber berichten.

    Bis dahin kann ich nur Vermutungen anstellen:
    - Zweckgebundene Spende?
    - Gelder aus einem Sozial-Fonds?
    ...
    Wie gesagt: Alles Spekulationen.

    Jedenfalls ist mir kein Presserummel aufgefallen.

    Warten wir also ab, was ich herausfinden kann.

  3. domingos schrieb am Montag, 05.07.10 19:51 Uhr:

    Hallo Fritz,

    das Gerücht hält sich hartnäckig, ist aber trotzdem fallsh. Eine Website barrierefrei zu machen ist keineswegs mit mehr Kosten verbunden. Das Ganze ist aus finanzieller Sicht zu vernachlässigen, wenn man betrachtet, wie viel so eine Website ohnehin kostet. Nur weil die Leute keine Ahnung haben und zuerst die Website basteln und dann darüber nachdenken, wie sie barrierfrei gemacht werden könnte, halten sich solche Vorstellungen.

    Zum Zweiten dürften die Kosten, Punkte in eine Pappschachtel zu prägen wirklich minimal im Cent-Bereich liegen. Es werden schon ganz andere Muster in Schachteln gepresst, da fallen ein paar Punkte kaum ins Gewicht. Selbst wenn das nur eine Marketing-Geschichte sein sollte, ist doch super, dass sie so was machen.

  4. Gerald schrieb am Mittwoch, 07.07.10 15:56 Uhr:

    Im CASH gibts eine kurze Erwähnung darüber.

    Zitat:
    "Rund 40.000 Euro hat der Frucht- und Kräuterteeexperte investiert, um alle Verpackungen mit den 0,4mm erhabenen Braille-Zeichen zu versehen."
    http://www.cash.at/archiv/alles-neu-bei-milford/

  5. Eva schrieb am Donnerstag, 08.07.10 09:42 Uhr:

    Hallo liebe Kommentatoren,
    ich werde versuchen, in der gebotenen Kürze auf die einzelnen Punkte einzugehen:

    @Fritz:
    Natürlich habe ich mich mit Milford in Verbindung gesetzt und sehr rasch eine Antwort bekommen - nein, KEINE automatisch generierte, sondern eine aus der Marketingabteilung.

    Dort stand, dass die Frage nach dem Warum nicht in wenigen Worten zu erklären ist. Ich versuche es dennoch: Nach Zusammenstreichung und dem Ausschließungsverfahren lautet für mich die Antwort: Es handelt sich um soziales Engagement. Man will wohl Gutes tun und man wird - sobald die Webseite relauncht ist - auch darüber reden. Eine Art Vorreiterrolle einzunehmen, hat für manche Unternehmen sicher auch einen gewissen Reiz.

    @domingos:
    "Im Cent-Bereich" liegen Braille-Aufdrucke in brauchbarer Qualität jedenfalls nicht - und die Braille-Qualität bei Milford ist erstklassig. Da ich selbst mit der Herstellung von Braille-Schrift beruflich zu tun habe, traue ich mir eine Einschätzung zu. Es ist zwar richtig, dass man "alles Mögliche" in Karton prägen kann, aber gut lesbare, der Norm entsprechende Braille-Schrift mit halbkugelförmigen Punkten, deren Oberfläche nicht aufreißen darf, ist schon eine besondere Herausforderung. Das musst du mir einfach glauben. Ohne Anfertigung von Spezialwerkzeugen geht da gar nichts, und die kosten natürlich Geld, amortisieren sich jedoch bei entsprechend hoher Stückzahl irgendwann.

    @Gerald:
    Eine interessante Information, vielen Dank dafür. Allein ich glaube solchen Pressebehauptungen nicht unbesehen. Falls man mit Braille-Prägung tatsächlich so viel Geld verdienen kann, sollte ich rasch meinen Dienstgeber wechseln. :)

  6. Fritz schrieb am Freitag, 09.07.10 17:29 Uhr:

    Hallo Eva,

    40.000 Euro für eine Anlage für Massenproduktion ist keineswegs viel Geld, sondern geradezu ein Schnäppchen. Also für mich durchaus glaubhaft. Und auch als (notwendige) Vorleistung für eine noch folgende PR-Kampagne wohl durchaus im Rahmen industrieller Kalkulation.

    Noch ein Nachtrag zum Link, den Gerald gepostet hat:
    Der Link führt zu einer Fehlerseite. Die Seite mit dem Artikel kann nicht direkt verlinkt werden. Vielmehr findet man den Artikel per Suchfunktion auf der Startseite http://www.cash.at und dort Suchbegriff Braille eingeben. Auch so ein Fall von mangelhafter Bedienbarkeit.

  7. Gerald schrieb am Freitag, 09.07.10 21:21 Uhr:

    @Fritz:
    Haha, sehr interessant mit dem Link. Ein echter Fail sowas.

  8. Fritz schrieb am Samstag, 10.07.10 16:52 Uhr:

    Hallo,

    wieviel darf eine PR-Kampagne kosten? 40.000 Euro, um sich als "Gutfirma" darzustellen?
    Die Deutsche Bahn hat allein im Jahr 2007 dafür 1.3 Millionen Euro ausgegeben.
    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/ handel-dienstleister/bahn-zahlte-million en-fuer-taeuschung;2304504

  9. Heiko schrieb am Montag, 02.08.10 14:38 Uhr:

    Jetzt scheint die PR-Kampagne loszugehen. Ich habe heute einen Artikel auf derstandard.at gefunden.

    Hoffentlich macht das Beispiel Schule.

  10. Eva schrieb am Donnerstag, 05.08.10 07:50 Uhr:

    Hallo Heiko,
    danke für den Link. Weil meine Kommentarfunktion ihn nicht klickbar machen kann, habe ich mir erlaubt ihn als Ergänzung an den Beitrag anzufügen.

    Ich wage zwar nicht daran zu glauben, dass die Lebensmittelbranche generell auf diesen Zug aufspringt, kann mir aber vorstellen, dass zumindest jene es tun, die auch Produkte im medizinischen Bereich anbieten. Dort ist ja laut EU-Verordnung die Braille-Schrift obligatorisch.

    Ohne jetzt sentimental werden zu wollen: Es ist für mich schon ein schönes und momentan noch ganz ungewohntes Gefühl, zielsicher aus einem Regal genau jenes Produkt auswählen zu können, das ich haben möchte.

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