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Reisen
Frühzeitige Reiseplanung ist nicht nur nützlich und hilfreich, sondern steigert auch die Vorfreude.
Gut vorbereitet
Mai 2012
Vom 23. bis 25. Mai 2012 findet wieder die SightCity statt, die größte Messe im deutschsprachigen Raum, auf der Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen präsentiert werden. Dieser Messebesuch ist in den letzten Jahren zu einem Fixpunkt in unserem Jahresplan geworden.
Wie auch in den letzten Jahren dürfen wir bei Freunden wohnen, sind also in vertrauter Umgebung untergebracht und obendrein in lieber Gesellschaft.
Darum geht es auch nach der Messe nicht sofort zurück in die Heimat, sondern wir werden noch ein paar schöne Tage miteinander verbringen, in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen und vielleicht Zukunftspläne schmieden.
Am Montag oder Dienstag geht dann die Reise weiter nach Berlin, wo vom 1. bis 3. Juni das Louis Braille Festival stattfinden wird. Die Zeit von Montag (oder Dienstag) bis Freitag möchten wir dazu nutzen, einige interessante Flecken in Berlin kennen zu lernen, die wir schon länger vorgemerkt haben, für die aber bei früheren Besuchen die Zeit nicht gereicht hat. Darunter auch etliche Angebote, die speziell für blinde Menschen geplant und umgesetzt wurden.
Es bietet sich an, in der Nähe des Veranstaltungsorts des Louis Braille Festivals Quartier zu nehmen. Einerseits können wir den Weg vom Hotel zum Festival zu Fuß zurücklegen, andererseits liegt das Hotel, das wir gewählt haben, in der Nähe der S-Bahn, also verkehrsgünstig, und ist somit als Ausgangspunkt für Aktivitäten gut geeignet.
Reiseroute
Die erste Recherche gilt dem Fahrplan. Von Wien nach Frankfurt gibt es einige Direktverbindungen, denn Umsteigen in Nürnberg mit nur wenigen Minuten Zeit und mit Gepäck für fast 14 Tage möchten wir aus sicher nachvollziehbaren Gründen vermeiden. Ich notiere mir alle Direktverbindungen.
Nach einer weiteren Fahrplanabfrage stelle ich beruhigt fest, dass es von Frankfurt nach Berlin stündlich eine Direktverbindung gibt, mache mir eine entsprechende Notiz, lege mich aber nicht fest. Hier können wir uns erlauben flexibel zu sein.
Anders sieht es schon bei der Rückreise von Berlin nach Wien aus. Es gibt nur zwei Direktverbindungen: eine um die Mittagszeit und eine am Abend. Letztlich haben wir uns für einen Flug entschieden.
Inzwischen sind die Fahrkarten besorgt, alle nötigen Reisedetails in einer Datei schriftlich festgehalten; auch der Flug ist gebucht.
Rund um Frankfurt
Frankfurt ist eindeutig das einfachere Pflaster für uns. Nicht nur, dass wir in vertrauter Umgebung und bei Freunden untergebracht sind, auch den Veranstaltungsort am Flughafen kennen wir recht gut. Darüber hinaus wird für die Messe ein Mobilitätsservice angeboten. Eine Reihe von Helfern warten zu Messebeginn an den diversen Haltestellen und bieten Hilfe an. Außerdem kann man diesen Service auch via Telefon anfordern. Wir haben den Service zwar noch nie in Anspruch genommen, aber ich notiere vorsorglich die Telefonnummer.
Jetzt bleibt noch die Strecke vom Flughafen, wo die Messe stattfindet, bis zu unseren Freunden. Wir sind die Strecke schon ein paar Mal gefahren, aber das Umsteigen am Hauptbahnhof oder auch der Hauptwache ist eine ziemliche Herausforderung. Ob wir für das erste Umsteigemanöver Hilfe vor Ort anfordern werden, bleibt vorläufig offen, aber Telefonnummer und e-Mail-Adresse für den Service notiere ich.
Für Frankfurt hätte ich damit die wichtigsten Informationen beisammen. Ich ergänze meinen Terminkalender nur noch um den Eintrag, etwa eine Woche vor Messebeginn den aktuellen Ausstellerkatalog herunter zu laden.
Auf in die Hauptstadt
In Berlin sind wir dann ganz auf uns gestellt. Den Hauptbahnhof haben wir knapp nach dessen Fertigstellung ziemlich ausgiebig erforscht. Dennoch notiere ich die Nummer des Mobilitätsservice der Deutschen Bahn.
Unser erster Weg wird uns in das Reisezentrum am Bahnhof führen, denn wir müssen uns Tickets für die Verkehrsbetriebe besorgen. Ich mache mir eine Notiz, vor Antritt der Reise bei den BVG die aktuellen Angebote und Preise zu recherchieren, damit der Kauf zügig und ohne längere Überlegungspausen oder Diskussionen erfolgen kann.
Für die Planung der Fahrt vom Hauptbahnhof in unser Hotel nutze ich eine App auf dem iPhone für Berlin und Brandenburg. Sie scheint vom selben Hersteller zu sein wie der Scotty der ÖBB, was mir hilft, mich rascher zurecht zu finden. Eine erste Abfrage ergibt, dass die S-Bahn an Werktagen alle 6 Minuten fährt und wir einmal, in der Station Friedrichstraße, umsteigen müssen. Ich speichere die Route vorsorglich ab, beschäftige mich zu diesem Zeitpunkt aber nicht weiter damit.
Der schwierigste Planungsabschnitt ist der Fußweg von der S-Bahn-Station zum Hotel. Ein Blick auf einen Stadtplan würde rasch Klarheit über Lage der Station und unseres Ziels verschaffen, aber genau das ist mir nicht möglich. Zwar kann ich ein Navigationssystem befragen und werde dies auch tun. Es sagt mir auch an, wie ich gehen soll und wie die Straßen heißen, lässt aber erst hinterher eine in meinem Kopf eine ungefähre Vorstellung der Örtlichkeit entstehen.
Eine ungefähre Skizze ist besser als nichts
Darum habe ich mich für tastbare Skizzen als Orientierungshilfe entschieden - eine aufwändige gemeinsam mit Webdesign Weisshart erarbeitete Methode, die es mir erlaubt, Planausschnitte tastbar zu machen. Selbst eine grobe Skizze zeigt die Lage von Objekten deutlicher an und macht den Verlauf von Straßen deutlicher als jede noch so detaillierte verbale Beschreibung. Diese tastbar ausgedruckten Skizzen kommen natürlich ins Reisegepäck, ergänzt durch schriftliche Hinweise.
Auch der kleinste Sehrest hilft bei der Orientierung
Mein Mann Hannes hat sich, wie vor jeder Reise, bereits einen aktuellen Stadtplan von Berlin besorgt. Mit Hilfe seines Lesegeräts, das das Lesegut unter der Kamera bis zu 30-fach vergrößert, versucht er den richtigen Ausschnitt zu finden, was naturgemäß einige Zeit in Anspruch nimmt und wegen der Größe des Plans auch nicht ganz einfach ist. Ich helfe ihm dabei, indem ich aus meiner Navigations-App die benötigten Straßennamen heraussuche. sobald er den Ausschnitt gefunden hat, tauschen wir unsere Informationen aus. Ich versorge ihn mit Straßennamen und den Hinweisen, wo links bzw. rechts abgebogen werden muss. Er erzählt mir etwas über die Krümmung der Straßen und die Länge der Strecken - und nach kurzem bereits über "Schleichwege", die er bereits entdeckt hat.
Das Festival-Büro
Vom Festivalbüro können Reiseveranstalter lernen, wie man blinden und stark sehbehinderten Menschen die Reiseplanung und Orientierung vor Ort erleichtern kann. Hier finden sich Detailinformationen zur Ausstattung der Hotels ebenso wie Telefonnummern von Service-Diensten, die man vor Ort buchen kann. Ein Messekompass ergänzt das reichhaltige Informationsmaterial.
Es würde den Rahmen sprengen, all die vielen Details für eine möglichst gute Orientierung vor Ort hier aufzuzählen. Wozu sollte das auch gut sein, wenn alles online orts- und zeitunabhängig abrufbar ist!
Mehr als das Notwendige
Einfach so durch die Straßen schlendern und in ein sympathisch aussehendes Restaurant essen zu gehen, das geht mit einer gravierenden Sehbehinderung nur dann, wenn man dem Zufall vertraut und keine Aversion gegenüber Missgriffen hat. Auch möchten wir gerne wissen, was so an Geschäften rund um unser Aktionsgebiet sind. Darum stöbere ich vorab auf diversen Webseiten und in geeigneten Apps für das iPhone, weil ich davon ausgehe, bei dem dichten Festival-Programm in Berlin dazu keine Zeit mehr zu haben. Außerdem wäre es schade kostbare Zeit mit mühseligen Recherchen zu verschwenden.
Auch die Verkehrswege zu den bereits jetzt fest stehenden Fixpunkten wie den iPhone-Stammtisch in Berlin und den Besuch beim Autor der bwl collection speichere ich schon jetzt, um die Information rasch zur Verfügung zu haben.
Und dann ist da noch der Rückflug von Berlin. Wir müssen ja einige Tage vor Antritt der Rückreise Kontakt mit der Fluglinie aufnehmen, um den Mobilitätsservice zu buchen. Auf einem Flughafen, der noch dazu gerade an unserem Reisetag eröffnet wird, werden wir uns alleine sicher nicht zurecht finden.
Verkleinertes Gepäck
Mit Ausnahme der tastbaren Skizzen und meiner beiden Hilfsgeräte (Organizer und iPhone sowie deren Stromversorgung) und dem Stadtplan auf Papier sowie ein handliches Lesegerät für Hannes benötigen wir dank moderner Technik keinen zusätzlichen Platz im Koffer für all die wichtigen Informationen, die nun einmal für barrierefreies und bequemes Reisen erforderlich sind. Ob Messe- oder Festivalprogramm, Telefonnummern oder schriftlichen Zusatzinformationen - alles liegt digital vor und besitzt eine zusätzliche Kopie irgendwo im Netz, um bei Bedarf darauf zugreifen zu können. Und selbstverständlich habe ich für Reisezeiten oder zwischendurch auch noch Lesestoff, Hörbücher und Musik dabei.
Vielleicht ist noch nicht alles perfekt, aber grundsätzlich sind wir gut vorbereitet und hoffentlich in der Lage aufgrund der umfassenden Vorinformationen eventuelle lapidare Antworten wie "da drüben" oder "dort vorne" auf die Frage nach einer bestimmten Örtlichkeit dennoch einigermaßen interpretieren zu können.
Frankfurt und Berlin - wir kommen!
1 Kommentar
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Ich behalte mir vor, Einträge wider die guten Sitten oder den guten Geschmack zu entfernen, möchte meine Leser jedoch ausdrücklich zu themenbezogenen Kommentaren oder Fragen ermutigen.
Beate Hattinger schrieb am Dienstag, 22.05.12 08:42 Uhr:
Alles ist ganz toll vorbereitet, was nicht nur die Vorfreude, sondern wohl auch das Selbstvertrauen stärkt. Bleibt nur noch, Euch eine gute Reise zu wünschen: Johannes und Eva jo.