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Reise-Tagebuch Ägypten - 1. Tag. Wir tauchen langsam in die Geschichte ein und beginnen bei den Römern.

Ein Tag in Alexandria

März 2006

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Hotel Hilton

Der Muezzin holt mich um 4 Uhr morgens aus meinen Träumen, übertönt vom immer noch heftig tobenden Sturm. Genüsslich drehe ich mich auf die andere Seite und überlasse mich wieder Morpheus Armen, aber um 6:30 Uhr werden wir gnadenlos geweckt.

Heute steht Alexandria auf dem Programm - oder eben so viel, wie man in nicht einmal einem ganzen Tag besichtigen kann.

Auf den Spuren der Römer

Pompeius-Säule

Das ist zuerst die Pompeius-Säule, die jedenfalls nicht für Pompeius, sondern den römischen Kaiser Diokletian zum Dank errichtet worden ist. Er hat der ausgehungerten Stadt Schiffe mit Getreide überlassen, die eigentlich für Kairo bestimmt gewesen sind.

Wir steigen zur Säule empor, aber sie verfehlt ihre Wirkung auf mich aufgrund des fehlenden optischen Eindrucks.

Eingang Nationalmuseum

Gleiches gilt für das Nationalmuseum, wo wir einen Rundgang machen, aber keine Führung erhalten. Wir sind also auf die wenigen Informationen angewiesen, mit denen die Objekte beschriftet sind und die mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten.

Wieder einmal stelle ich fest, dass ich ohne sachkundige Führung einfach keinen Spaß an einem Museumsbesuch habe.

Zitadelle Qaitbay

Deutlich beeindruckender ist da schon die Zitadelle Qaitbay, eine Festung, die angeblich nie eingenommen worden ist. Die Anlage ist übrigens genau an jener Stelle errichtet worden, wo früher der Leuchtturm von Alexandria gestanden hat, eines der sieben antiken Weltwunder.

Das Durchschreiten der Anlage, die grob behauenen Stufen im Inneren, das auf dem Wehrgang deutlich vernehmbare Rauschen des Meeres tief unter mir vermitteln mir zwar keinen realen Eindruck der Bauten, all das ruft aber Bilder aus meiner Erinnerung hervor, als ich noch gesehen habe. - Wenn es nur nicht so kalt und windig wäre! Der Sturm bläst uns noch immer den feinen Sand in die Augen.

Palast des Wissens

Dachkonstruktion von innen

Das unbestrittene Highlight für mich ist aber der Besuch der neuen Bibliothek, die von 1989 bis 2002 etwa 200 Meter östlich der berühmten und im Meer versunkenen Bibliothek Alexander des Großen erbaut worden ist. Für die vielen Daten und Fakten habe ich diesmal wenig Sinn. Es ist vielmehr die ganze Atmosphäre, die mich gefangen nimmt.

Schriften an der Mauer

Dass hier 10 Millionen Seiten eingescannt und in digitalen Text umgewandelt und auch korrigiert worden sind, lässt mich aber ebenso aufhorchen wie die Mitteilung, dass sich ein Stockwerk höher eine Abteilung für blinde Studentinnen und Studenten befindet.

Blindenarbeitsplatz mit Drucker

Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen und finden nicht nur Scanner, Computer-Arbeitsplätze mit Screen Reader (ein Bildschirm-Ausleseprogramm), sondern auch einen Blindenschrift-Drucker und natürlich eine Reihe von Druckerzeugnissen. Auch wenn ich die arabische Blindenschrift nicht beherrsche - die tastbare Darstellung von Donald Duck bedarf keiner schriftlichen Erläuterung.

Launenhafte Elemente

Als wir in den Bus einsteigen, erfahren wir, dass möglicherweise die Straße nach Kairo wegen des Sandsturms gesperrt ist - keine gute Nachricht, wenn man bedenkt, dass wir dort unsere nächste Übernachtung gebucht haben. Als dann der Bus nicht anspringen will, kommt die Frage auf, ob wir überhaupt abfahren werden können.

Eingedenk der gestrigen Odyssee und der späten Stunde unserer Ankunft ist wohl der geeignete Zeitpunkt, Sie mit dem zweiten Buchstaben unserer Merkhilfe IBM, dem B, bekannt zu machen: Dem Zauberwort Bukra. Wörtlich übersetzt bedeutet es morgen. Aber inzwischen wissen Sie ja, dass es besser ist nicht alles wörtlich zu nehmen, sondern flexibel bei der Interpretation zu sein. Schließlich hat jedes "Morgen" wieder ein Morgen.

Ich habe dieses Bukra mit einer ganz persönlichen Bedeutung versehen und dennoch dem ursprünglichen Sinn nicht enttfremdet, wie ich glaube. "Nicht heute" trifft Sinn und Bedeutung des Wortes ziemlich genau, finde ich. Es ist klar genug in der Aussage und gibt dem Befragten ausreichend zeitlichen Spielraum um sein Versprechen einzuhalten. Denn die Ägypter sind keine reichen Menschen; was sie aber im Überfluss haben ist Zeit.

Abendliche Stadtansicht

Aber - inshallah - der Bus springt nach vielen geduldigen Versuchen doch an und die Straße ist auch frei, wenn auch der Busfahrer gegen den heftigen Sturm zu kämpfen hat und wir mächtig durchgeschüttelt werden.

Keine Ahnung, wann wir unser Ziel erreicht haben. Aber ehrlich: Wen interessiert das schon. Wir freuen uns auf Morgen - auf Bukra, diesmal im wörtlichen Sinn.

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Bildbeschreibungen: Dorothea WINTERLING

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