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Reise-Tagebuch Ägypten - 2. Tag: Kairo.

5000 Jahre an einem Tag

März 2006

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Weil es mir bei dieser Reise viel um Genuss und Sinneseindrücke geht, möchte ich Sie als Auftakt zu unserem zweitägigen Aufenthalt in Kairo vorerst in unser Hotel, das Ramses Hilton, und zum Dinner mitnehmen.

Wir wohnen im 27. Stock und das Zimmer darf sowohl von der Ausstattung als auch hinsichtlich der Geräumigkeit als luxuriös bezeichnet werden. Neugierig öffnen wir die Schiebetür zum dreieckigen Balkon und ich lausche fasziniert. Beim Versuch, die unglaubliche Klangvielfalt zu entschlüsseln, glaube ich mindestens fünf Muezzine zu hören, in unterschiedlichen Tonlagen und Entfernungen. Tief unter mir brandet der chaotische Kairoer Verkehr - ein wahres Orchester unterschiedlichster und sehr phantasiereicher Hupen mischt sich in die Aufforderung zum Gebet. Ergänzt wird diese Kakofonie, die in so luftiger Höhe schon wieder nahezu melodisch klingt, durch den Lärm zahlreicher Baumaschinen.

Und dann sind wir unterwegs zum Abendessen. Dem ganzen Ambiente des Hotels angepasst ist auch das Buffet: einfach köstlich! Und ich genieße vor allem die fremdartige Zubereitung der irgendwie international anmutenden Gerichte. Es ist der Geschmack von Knoblauch, wo man ihn nicht erwartet, die Beigabe von Sesam oder Pfeffer in Süßspeisen und eine Vielzahl unbekannter Nuancen und Geschmacksrichtungen, was die Nahrungsaufnahme zum Hochgenuss werden lässt.

Abenteuer Großstadt

Die Stadt bei Tag

Auf der Fahrt nach Memphis am folgenden Tag lernen wir das moderne Kairo kennen: Chaotische Verkehrsverhältnisse und eine Dunstglocke aus Abgasen sind kennzeichnend für die aus allen Nähten platzende Metropole der arabischen Welt. Am Rande der inzwischen auf schätzungsweise 17 Millionen Einwohner angewachsenen Stadt haben Siedler Häuser ohne Baugenehmigung errichtet. Die Regierung lässt diese wieder abreißen, solange sie nicht bewohnt sind. Aber ebenso rasch werden sie wieder aufgebaut, denn die Wohnungsnot ist bedrückend. Sobald die Häuser bewohnt sind, kapituliert die Verwaltung endgültig, und so entsteht eine illegale Siedlung nach der anderen.

Wegen der eklatanten Wohnungsnot machen die Siedler sogar den einstigen Mamelukenherrschern ihre letzten Ruhestätten streitig. Vor den inzwischen schon hunderttausenden Menschen, die sich dort häuslich niedergelassen haben, hat selbst die Regierung kapituliert und letztlich Strom und Wasser eingeleitet um Schlimmeres zu verhindern. Immerhin sind frei liegende und hängende Kabel, mit denen die Siedler sich beholfen haben, ziemlich lebensgefährlich.

Memphis - Metropole des Alten Reiches

Aber vorerst reisen wir in die Vergangenheit und versetzen uns 5000 Jahre zurück in die Anfänge des Alten Reiches. Dabei profitieren wir vom profunden Wissen Mohammeds, unserem Fremdenführer - (er legt Wert darauf, nicht als Reiseleiter bezeichnet zu werden). Ich kann das Leuchten der Begeisterung in seinen Augen förmlich in seiner Stimme hören, die plötzlich einen neuen Glanz bekommt. Seine anschauliche Erzählung über die Vereinigung des nördlichen und südlichen Reiches lässt die Hauptstadt Memphis in unserer Phantasie erstehen:

Die Stadt war von einer weißen Mauer umgeben. In Memphis stand die 1. Universität der Welt namens Uno (ca. 3000 v.Chr.), und von dieser Bezeichnung leitet sich - so Mohammed - auch unser Wort Universität ab. Am Ende der 6. Dynastie und somit am Ende des Alten Reiches war Memphis wohl nicht mehr die Hauptstadt, es blieb aber weiter ein wichtiges kulturelles Zentrum.

Im 19. und 20. Jahrhundert hat man viel ausgegraben, doch sind diese Funde auf der ganzen Welt verteilt. Von der Stadt selbst zeugen nur noch einige Steinblöcke.

Es bedarf einiger Phantasie um die Stadt im Geiste neu erstehen zu lassen und ich fühle mich keineswegs benachteiligt, gibt es doch kaum etwas, das dem suchenden Auge bei dieser Rekonstruktion entscheidend helfen könnte. Wir alle sind auf Mohammeds eloquente Schilderungen angewiesen.

Die liegende Ramses-Statue

Jetzt könnte ich wohl die vielen Einzelheiten an Sie weitergeben, über die uns Mohammed berichtet hat, aber wie hat er doch so treffend gesagt: "Sie müssen sich all diese Daten und Fakten nicht merken; vergessen Sie die Jahreszahlen und Namen wieder. Wichtig ist nur, was Sie an Eindrücken mit nach Hause nehmen."

Und während wir die liegende Skulptur von Ramses II. besichtigen, lausche ich fasziniert Mohammeds Erzählung über diesen mächtigen, kriegerischen Pharao der 19. Dynastie, der 94 Jahre alt geworden ist. Und das, obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung damals zwischen 35 und 40 Jahre betragen hat.

Stein-Statue

Er war ein großer Eroberer. Man weiß aber auch, dass er 200 Kinder hatte; die Namen von elf seiner Frauen sind überliefert. Offenbar war er nicht nur ein mächtiger, sondern auch ein sehr gefühlvoller Mann. Dabei denke ich nicht an die erwähnten 200 Kinder, sondern an das Denkmal, das er seiner Lieblingsfrau Nefretari gesetzt hat. Trotz der gesetzlichen Verpflichtung, nur Königinnen zu ehelichen, hat Ramses II. Nefretari, ein Mädchen aus dem nubischen Volk, zu seiner Hauptgattin erwält, hat ihr das prächtigste Grab in Theben errichten und sie mit der Göttin Hathor gleichsetzen lassen, der Göttin der Liebe.

Sakkara - die Totenstadt

Die alten Ägypter bestatteten Ihre Toten in Nekropolen wie Sakkara, unserere nächste Station. Während die Stadt selbst immer im Osten lag, befand sich die Totenstadt im Westen, also in der Richtung der untergehenden Sonne.

Die Gründung des Alten Reiches

Stufenpyramide

Pharao Djoser war der 1. König der 3. Dynastie und Gründer des Alten Reiches. Sein Premierminister war gleichzeitig ein großer Bauherr und schuf sein eigenes Grab noch vor dem des Königs in der damals üblichen Form der Steinbankgräber. Wie der Name andeutet, sehen diese Gräber von oben betrachtet wie Steinbänke aus. Aus dieser Bauform entstand die erste Stufenpyramide aus sechs Stufen, also sechs Steinbänken, nämlich die des Königs Djoser. Damit ist sie die erste Stufenpyramide.

Papyrus einst und jetzt

Bilder in der Papyrusgalerie

Papyrus war für die alten Ägypter unentbehrlich und auch für die heutige Bevölkerung ist er ein wichtiges Erzeugnis für den Export. In der Papyrusgalerie, die wir besuchen, erfahren wir, wie aus der Papyruspflanze - das Symbol für den Norden - Papyrus erzeugt wird.

Hoch über der Stadt

Kuppel der Alabaster Moschee

Am Nachmittag besichtigen wir die Alabastermoschee, auf die ich mich schon den ganzen Tag freue. Dieser Bau hat bei meinem letzten Besuch, der 20 Jahre zurück liegt, einen starken Eindruck hinterlassen. Gut, dass dieses Bild noch lebendig ist, wenn auch im Laufe der Jahre verblasst. Denn diesmal gibt es keine spezielle Beschreibung für blinde Besucher.

Kontakt mit dem Volk

Alabaster Moschee

Draußen wimmelt es von Schulkindern. Sie begrüßen uns freundlich und fragen nach unseren Namen. Sie geben uns die Hand - eine Grußform, die in Ägypten eher unüblich ist - und wollen wissen, woher wir kommen. Aber den meisten sagt der Name unseres Landes nichts, wohl aber unsere Hauptstadt Vienna.

Die Wanung einer Mitreisenden, auf die Handtaschen aufzupassen, quittieren wir mit einem Schulterzucken. Das sind keine bettelnden Banden, die Touristen einkreisen und filzen, das sind junge, freundliche Menschen, offen und neugierig; und so reichen wir ihnen die Hand, wobei ich feststelle, dass meine Hand genau so schmutzig und klebrig ist wie die der kleinen Ashra - falls ich ihren Namen richtig verstanden habe.

Zurück ins moderne Kairo

Auf dem Rückweg ins Hotel bekommen wir das Verkehrschaos von Kairo nochmals zu spüren. Aber ich bin froh, mit dem Bus und nicht zu Fuß unterwegs zu sein. Das ist keine Stadt für Schaufensterbummel oder zum Flanieren.

Wenn man dennoch zu Fuß unterwegs ist, tut man gut daran, die Augen fest auf den Gehweg zu heften und zwischendurch wieder nach vorne zu blicken um Zusammenstöße zu vermeiden. Auch könnte man mit dem Fuß in ein Loch geraten oder gar in einen geöffneten Gulli stürzen. Auch herabhängende Fußangeln in Form von losen Kabelenden oder vergessene Schuttberge sind keine Seltenheit. Wer gar eine Straße überqueren möchte, sollte dieses selbstmörderische Vorhaben mit dem Wunsch inshallah umsetzen.

Aber unser Buschauffeur liefert uns wohlbehalten im Hotel ab, wo wir den ersten Abend in Kairo nach dem Dinner mit einem gemütlichen Umtrunk in der Hotelbar beschließen.

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Bildbeschreibungen: Dorothea WINTERLING

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