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Das Bild im Kopf entsteht durch viele kleine Puzzle-Teilchen.

Berliner Impressionen
Museumsinsel und Spandau

Juli 2014

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Morgens regnet es heftig, aber als wir mit dem Frühstück fertig sind, kommt schon wieder die Sonne raus.

Heute geht es zuerst zur Museumsinsel. Unser Weg führt uns mit der S-Bahn nach Friedrichstraße, wo wir in die S7 umsteigen müssen. Weiter geht es mit der S7 zum Alexanderplatz. Ab hier folgen wir der auf Berlin für Blinde gefundenen Wegbeschreibung zum Modell der Museumsinsel. Es ist bald klar, dass Hannes durch das Studium des Stadtplans auch ohne die Wegbeschreibung den Eingang zum Lustgarten gefunden hätte. Ob er allerdings auch das eher kleine Modell entdeckt hätte, wissen wir nicht. Ich habe wegen meines Versprechens vom Vortag darauf bestanden, der vorgegebenen Wegbeschreibung zu folgen, die sich als sehr gut erwiesen und uns auch sicher bis zum Bronzemodell geführt hat.

Was sich in der verbalen Beschreibung so trocken liest, ist in der Realität ein abwechslungsreicher Weg und bis zum Verlassen der Karl-Liebknecht-Straße sehr anstrengend. Danach ist endlich Schluss mit dem enormen Verkehrslärm. Mir ist, als könnte ich auch freier atmen — nein: aufatmen!, wenn die Ohren wieder frei sind. Jetzt höre ich auch wieder, dass überall Menschen flanieren, Kinder mit Skateboards unterwegs sind und hin und wieder ein Radfahrer an uns vorbeifährt.

Wir gehen jetzt schon die ganze Zeit am Lustgarten entlang, wenn auch auf der anderen Straßenseite. Als wir links abbiegen, ist kaum noch Verkehr zu hören, und sobald wir den Treppenabgang gefunden haben, herrscht absolute Verkehrsruhe. Nach wenigen Schritten sind wir beim Modell angekommen.

Bronzemodell der Museumsinsel

Hier machen wir Rast, und ich verschaffe mir vorerst einmal einen Überblick über Anordnung und Beschriftung der Gebäude sowie über den Weg, den wir gerade gekommen sind. Die auf "Berlin für Blinde" gefundene Beschreibung des Modells möchte ich meiner Leserschaft natürlich nicht vorenthalten.

Ein Besucher, der ebenfalls das Modell betrachtet und mich beim Abtasten der Objekte beobachtet, erweist sich als Kenner und erläutert zusätzlich zu den vorhandenen Beschriftungen die Gebäude. Er ist sichtlich stolz auf diese Kulturstätten und eindeutig ein Kenner der Museen — nicht nur von außen, wie wir seinen Empfehlungen entnehmen können.

Es ist bald Mittag, und die Sonne heizt uns kräftig ein. Daher suchen wir uns ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen, und Hannes erzählt mir, dass er von unserem Sitzplatz aus den Deutschen Dom sehen kann, den wir früher schon besichtigt haben. Ich nicke. Das kann ich anhand des Modells gut nachvollziehen. Aber hat er eine Kuppel und wie sieht der Turm genau aus? Ich stelle bekümmert fest, dass die Informationen aus der Modellbesichtigung sich in meinem Kopf nicht wirklich festgesetzt haben, weshalb wir nochmals zum Modell zurückkehren und die Lektion wiederholen.

Und dennoch: Heute sind von den vielen Details des Modells in meinem Kopf nur noch die groben Umrisse und die Anordnung der Gebäude erhalten geblieben. Das ist einer der Momente, in denen ich alle beneide, die ihr Erinnerungsvermögen mit Fotos auffrischen und trainieren können.

Auf dem Rückweg zum Alex darf dann aber Hannes entscheiden, welchen Weg wir nehmen. Er versteht nämlich nicht genau, warum die Beschreibung uns ums halbe Gelände geführt hat. Da müsste es doch einen kürzeren Weg geben. Und so ist es auch.

Ich hingegen weiß inzwischen, wieso der längere Anmarsch beschrieben ist: Zum einen bietet der Weg viele Anhaltspunkte für den Langstock, zum anderen lässt sich hinterher am Modell selbst die Wegstrecke gut verfolgen, die wir gekommen sind — eine gute Orientierungshilfe.

Vom lauten Alex in die Erholungszone

Wir haben uns ein wenig zu lange im Lustgarten aufgehalten. Die schattige Bank war in der brütenden Hitze einfach zu verlockend. Daher gilt die vorab herausgefundene rasche Verbindung mit der Regionalbahn nach Spandau leider nicht mehr. Also beschließen wir nach Konsultation des Abfahrtsmonitors, mit der U2 bis Bismarckstraße und von da mit der U7 bis Altstadt Spandau zu fahren.

Liebe Berliner und Berlinkenner! Schlagt bitte jetzt nicht die Hände überm Kopf zusammen. Wir wissen genau, dass das nicht der kürzeste Weg ist. Es ist aber eine Verbindung, bei der wir nur einmal umsteigen müssen. Und wer schon einmal am Alex die U2 gesucht hat — ich glaube, sie ist im 3. Untergeschoss —, der weiß auch, dass es manchmal nicht ganz einfach ist, die richtige Station zu finden. Glücklicherweise gibt es immer wieder Leute, die Zeit finden, herumirrenden Touristen den Weg zu zeigen.

Die Ansagen in der U2 sind wegen des Krachs absolut unverständlich. Also: Abfahrtsmonitor aktivieren und Stationen zählen. Beim Umsteigen in die U7 tappen wir vorerst auch ein wenig im Dunkeln. Denn für Hannes ist die Station zu düster. Aber schließlich finden wir nicht zuletzt anhand der Geräusche den Abgang und vergewissern uns bei einem Fahrgast, ob wir auch richtig sind.

Die Station Altstadt Spandau ist dann trotz fehlendem Leitsystem eine angenehme Überraschung: Sehr kühl, ruhig und hell erleuchtet. Als wir an die Oberfläche kommen, genießen wir nach dem Krach auf der Karl-Liebknecht-Straße und dem Alex die Ruhe der Fußgängerzone und beschließen spontan, in einem der Lokale eine Trinkpause einzulegen und in aller Ruhe die weitere Route zu planen.

Nicht gut genug geplant

Wir möchten in die Geschenkewerkstatt in der Havelstraße 18. Läden mit Kunsthandwerk werden immer seltener, und da in der Beschreibung steht, dass man sich hier Zeit für Beratung nimmt, hoffen wir auf das eine oder andere handwerkliche Kleinod zu stoßen. Zu Hause nimmt man sich für solche Dinge ja leider kaum Zeit.

Unsere Tischnachbarin ist im Bezirk aufgewachsen, wie sie uns verrät. Also fragen wir sie nach dem Laden. Sie kennt ihn, meint aber, der sei inzwischen geschlossen. Und während wir uns über interessante Ecken in Berlin austauschen, hat sich der Himmel eingetrübt, es fallen die ersten schweren Tropfen, und ein dumpfes Grollen kündigt das vorhergesagte Gewitter an. Wir flüchten daher allesamt ins Innere des Lokals — keine Minute zu früh. Die Serviererin bestätigt dann leider, dass die Besitzerin der Geschenkewerkstatt aus Altersgründen vor mehr als einem Jahr den Laden geschlossen hat.

Also kein Besuch der Geschenkewerkstatt. Stattdessen ausreichende Flüssigkeitszufuhr, um unsere überhitzten Organismen am Laufen zu halten, und behagliches Lauschen nach draußen, wo eine halbe Stunde lang das Unwetter tobt.

Als der Regen nachlässt, beschließen wir, den geordneten Rückzug in unser Quartier anzutreten — auf dem trockensten Weg, versteht sich. Das bedeutet neue Routenplanung.

Jetzt wäre es an der Zeit, den jüngst erstandenen Zusatz-Akku für mein iPhone zu aktivieren. Leider scheitert das am fehlenden Kabel für das iPhone 4, das ich leider nicht eingesteckt habe. (Immerhin ein Fortschritt zum Vortag, denn da hatte ich auch den Akku zu Hause vergessen. Planen allein reicht eben doch nicht.)

Für die Planung der Route reicht der Akku gerade noch und rasch notiere ich die Umsteigestelle Berliner Straße und die Station davor. Von da geht es dann mit der U9 Richtung Heimat.

Als wir in Steglitz ankommen, ziehen auch hier bedrohliche schwarze Wolken auf. Wir machen noch rasch einen Abstecher, um bei den BVG für Hannes einen aktuellen Stadtplan zu erstehen, und nutzen die Kommunikation, um nach einem Bäckerladen zu fragen. Dort versorgen wir uns noch mit Schrippen und eilen so rasch wir können nach Hause. Kaum haben wir unser Domizil erreicht, als es auch schon losprasselt.

Trockentraining

Klarsichtfolie mit tastbaren Linien und Punkten

Der am Vortag erstandene taktile Linienplan steht noch ungeöffnet neben unserem Koffer, und während draußen das Gewitter niedergeht, studiert Hannes seinen neuen Stadtplan, und ich packe die taktilen Karten aus, um den Punkten und Linien auf der Klarsichtfolie ihre Bedeutung zu entlocken. Bei dieser Herausforderung helfen zwei kleine Heftchen in Braille-Schrift mit jeder Menge Erläuterungen.

Ausschnitt Linienplan Berlin

Hannes linst neugierig zu mir herüber. Also stelle ich ihm gleich eine Frage. Er kann zwar taktile Pläne lesen, orientiert sich aber dennoch vorwiegend visuell. Darum gibt es für sehbehinderte Nutzer zusätzlich zu der taktilen Klarsichtfolie eine deckungsgleiche farbige Skizze.

Für morgen ist ein ruhiger Tag geplant. Es steht ein Besuch bei Freunden im Umland von Berlin an. Was liegt also näher, als gemeinsam die Strecke zu verfolgen, die wir morgen fahren werden.

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