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Intensive Recherchen vor Reiseantritt sind fast so spannend wie die Reise selbst.

Berlin, wir kommen!

April 2014

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Unser erster Berlin-Aufenthalt liegt fast 30 Jahre zurück. Damals war Berlin noch nicht Hauptstadt, zweigeteilt und Hannes konnte noch mit einer Handlupe den Stadtplan studieren und Straßenschilder lesen. In den drei Tagen, die wir damals auf eigene Faust die Stadt - und manchmal auch uns - unsicher gemacht haben, haben wir uns in Berlin verliebt und sind seither immer wieder dort gewesen. Meist waren es organisierte Reisen, etwa mit der Tandemgruppe, zu Besuch bei Freunden oder zuletzt vor zwei Jahren beim Louis Braille Festival im Tempodrom.

Im Sommer wollen wir es wieder wagen, und eine Woche in Berlin verbringen - ohne Begleitung und ohne Gruppenanschluss - nur wir zwei.

Da Hannes inzwischen für Stadtpläne mit einer Lupe nicht mehr das Auslangen findet, sondern ein Lesegerät benötigt, wird es mit dem Stadtplanstudium unterwegs nicht funktionieren, und Straßennamen kann er auch schon lange nicht mehr lesen.

Da hilft zweierlei: Zum einen möglichst viel vorab recherchieren und so viele Informationen wie nur möglich zusammen zu tragen. Dabei geht es nicht nur um touristische Ziele, sondern vor allem um die Klärung der Frage, wie man von A nach B kommt, wenn man so gut wie nichts lesen kann, was man selbst schafft und wofür man am besten Hilfe in Anspruch nimmt und wo man diese bekommt. Zum anderen werden wir die Segnungen moderner Technik verstärkt nutzen. Hannes vorwiegend im Quartier durch Studium der Pläne auf dem iPad, ich unterwegs durch Nutzung wichtiger Informationen zum Verkehrsgeschehen auf dem iPhone. Auch die Nutzung von Plänen werde ich unterwegs übernehmen, da der Bildschirm des iPhone für Hannes zu klein ist.

Neben viel Arbeit hat dieses umfangreiche Vorbereitungsprogramm auch einen enormen Vorteil: Wir machen die Reise nicht erst im Juli, sondern vorab schon einmal jetzt im April, erleben alles sozusagen doppelt. Und sollte ich mich aufraffen können, hinterher unsere Urlaubseindrücke schriftlich festzuhalten, dann können wir die Reise ein drittes Mal machen und so die Eindrücke für künftige Tage konservieren. Als Gedächtnisstütze für die "Nachlese" werden uns auch Fotos dienen, denn Hannes fotografiert für sein Leben gern, auch wenn er die Objekte im Sucher längst nicht mehr sehen kann und nur das Display zur Kontrolle hat, das bei Sonnenbestrahlung auch nicht mehr sehr hilfreich für ihn ist.

Zuerst die Routine

Jeder, der verreist, muss die Anreise und das Quartier planen. Ob Flug oder Zug werden wir erst später entscheiden; das Quartier steht aber schon fest. Wie schon vor einigen Jahren werden wir in Steglitz wohnen, und zwar nicht in einem Hotel, sondern beim Blindenhilfswerk Berlin einer kleinen Wohneinheit, die aus einem Vorraum mit Einbauschrank, einem großen Badezimmer sowie einem Wohn-Schlafzimmer mit Kochzeile besteht. Auch WLAN ist vorhanden. Rundherum ist es grün und ruhig, Keine 5 Gehminuten entfernt gibt es einen kleinen Supermarkt und einen Bäcker - wir sind ja Selbstversorger - und mehrere Restaurants. In etwa 7 Minuten erreichen wir S- und U-Bahn.

Perfekte Ausrüstung

Neben unseren Langstöcken benötigen wir noch ein paar Dinge, auf die andere Reisende vielleicht verzichten. Da ist einmal das iPad für Hannes, das auf die Reise vorbereitet wird. Neben den aktuellen Karten für das Navi gehören dazu vor allem etliche Apps für den öffentlichen Verkehr; allen voran der Abfahrtsmonitor und Berlin/Brandenburg. Dieselben Apps werden natürlich auch auf dem iPhone zur mobilen Nutzung installiert.

Ganz wichtig ist auch das Monokular, mit dem Hannes unter günstiger Beleuchtung noch Hinweisschilder oder Beschriftungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln lesen kann. Wir können also zweifach überprüfen, ob wir richtig sind: Ich kann im Abfahrtsmonitor nachsehen, mit welchem Verkehrsmittel und in welche Richtung wir fahren müssen und wie die Abfahrtszeiten sind; Hannes liest die Beschriftung beim Abgang oder der Informationstafel.

Wie ich in Erfahrung bringen konnte, bietet der ABSV (Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin) einen tastbaren Linienplan für die U- und S-Bahn Berlin zum Verkauf an. Nach dem Einkauf für unsere Selbstversorgung steht also am 1. Tag ein Besuch in der Auerbacherstraße an. Bei dieser Gelegenheit werden wir uns sicher auch die Zeit nehmen, einen genaueren Blick in den Hilfsmittel-Shop zu machen. Wir sind zwar gut ausgestattet, aber es kommt immer wieder vor, dass wir unerwartet auf einen nützlichen Helfer für den Alltag stoßen.

Beide werden wir vorab die wichtigsten Verkehrswege prüfen, um herauszufinden, an welchen Stellen es für uns schwierig werden kann, den richtigen Weg zu finden. So gibt es etliche Umsteigerelationen, wo mehrere Minuten Fußweg angegeben sind. In solchen Fällen nutzt Hannes bei der Vorbereitung den Stadtplan auf Papier unter seinem Lesegerät, um sich einen Überblick zu verschaffen. Bringt auch diese Maßnahme keine Klärung der Gegebenheiten, wird die Stelle für die Inanspruchnahme von Hilfe vorgemerkt. Diese muss dann vor Ort natürlich rechtzeitig gebucht werden.

Berliner Helfer

Noch wissen wir nicht genau, wann und wo wir Hilfe benötigen werden. Auf jeden Fall schadet es nicht, sich vorab schlau zu machen.

Berlin bietet einen Begleitservice für blinde Besucher an. Begleitet wird je nach Bedarf, also eventuell auch Abholung vom Quartier und Begleitung bis zum Ziel. Müsste ich in Berlin einen Kongress besuchen und hätte wenig Zeit, würde ich diesen Dienst schon aus Sicherheits- und Bequemlichkeitsgründen in Anspruch nehmen.

Für unsere Urlaubsreise haben wir besprochen, grundsätzlich die Aktivitäten selbst zu planen und auch alleine von A nach B zu gelangen. Nur dort, wo wir bereits in der Planung das Gefühl haben nicht gut zurecht zu kommen, wird von vornherein der Begleitdienst eingeplant. Dazu ist es eben erforderlich, Wege und Ziele vorher möglichst eingehend zu erkunden. Zumindest jene Programmpunkte, bei denen wir Hilfe in Anspruch nehmen werden, müssen dann auch umgesetzt oder bei Programmänderung rechtzeitig abgesagt werden. Diese Programmpunkte werden daher zwecks leichterer Organisation an ein und demselben Tag eingeplant.

Ein Raster

Nun sind wir bereit für das eigentliche Berlin-Erforschungsprogramm. Abgesehen davon, dass wir im Umland von Berlin an einem Tag Freunde besuchen möchten, bleiben uns also vier (oder vielleicht werden es doch fünf?) ganze Tage, die mit einem möglichst interessanten und abwechslungsreichen Programm zu füllen sind. Es macht mir Spaß, Routen und Ziele selbst herauszusuchen und sinnvoll zusammen zu stellen. So werden zwei oder drei Tage mit "Schlechtwetterprogramm" fix eingeplant, denn nichts ist so öde wie mit dem Gefühl im Quartier herumzusitzen, gerade ein Highlight zu verpassen. Außerdem könnte ja der eine oder andere Programmpunkt aus anderen Gründen ausfallen. Also ruhig einen oder zwei Tage zusätzlich planen und dann vor Ort entscheiden, worauf wir gerade Lust haben und was das Wetter dazu sagt.

Die virtuelle Reise

Für mich kommt nun der vergnüglichste Teil der Planungsphase: Ich mache mich via "Transportmittel" Internet auf eine virtuelle Reise durch Berlin.

Eine gute Quelle ist databus. Dort wurden touristische Ziele aus ganz Deutschland gesammelt, an denen es spezielle Angebote für blinde Besucher gibt.

Nach der Vorselektion durch die Stichwortsuche "Berlin" blättere ich erst einmal alle Angebote durch. Danach gilt es das Angebot mit den eigenen Interessen zu harmonisieren. Bevor dies geschieht, ziehe ich noch eine zweite viel versprechende Berlin-Quelle zu Rate, Berlin für Blinde und Sehbehinderte, und checke auch diese Angebote.

Danach erstelle ich einen Wochenplan in Form eines groben Rasters, in dem die Wochentage nach Vormittag, Mittagessen und Nachmittag unterteilt werden.

In einem nächsten Schritt gruppiere ich Außen- und Innenaktivitäten und verpasse allen einen ungefähren Zeitrahmen sowie die Info, in welcher Gegend sie angesiedelt sind.

Sodann werden die Örtlichkeiten lokalisiert und ich werfe einen Blick in die fast immer vorhandenen Wegbeschreibungen. Da diese immer von irgendeinem öffentlichen Verkehrsmittel starten - blinde Alleinreisende kommen nun einmal nicht mit dem Auto an -, kann ich am iPhone sofort Station und Verkehrsmittel herausfinden und dem Programmpunkt zuordnen. Dabei zeigt sich auch relativ rasch, welche Ziele näher zusammen oder sogar an derselben U- oder S-Bahnlinie liegen.

Nun werden zusammen passende Außen- bzw. Innenziele sowie kürzere Programmpunkte gruppiert. Zur Sicherheit notiere ich mir auch immer ein Restaurant in unmittelbarer Umgebung entweder der Vormittags- oder Nachmittagsaktivität. Ob wir diese dann auch besuchen oder uns spontan auf Entdeckungsreise nach kulinarischen Verlockungen machen werden, wird erfahrungsgemäß davon abhängen, wie wohl uns der Wettergott gesonnen ist und wie müde wir uns gelaufen haben.

Und da sind noch zwei Gründe für einen Blick ins Restaurantangebot: Einerseits handelt es sich um Empfehlungen, teilweise typisch berlinerisch, andererseits ist es bei Dauerregen oder schmerzenden Füßen und ohne den prüfenden Blick eine Straße entlang für uns nicht immer einfach, rasch ein geeignetes Lokal zu finden - geschweige denn, dessen Zustand vor Betreten einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Hören statt sehen

Eine Großstadt wie Berlin ist geradezu prädestiniert für akustische Eindrücke. Vor etlichen Jahren haben wir uns bei Hugendubel mit 3 CDs eingedeckt, die akustische Spaziergänge durch Berlin enthalten. Diese werden jetzt erneut aus dem Schrank geholt, entpackt und als MP3 auf einen Datenträger kopiert. Außerdem folge ich noch einigen Empfehlungen, wie Tomis Audioguide. Und da ist ja noch die spezielle Reiseliste, bei der ich mich vor kurzem angemeldet habe. Es geht nichts über persönliche Empfehlungen!

Wie lange dauert die Reise?

Unser Aufenthalt ist für eine knappe Woche geplant, das von mir inzwischen gesammelte Material würde jedoch gut und gern für drei Wochen reichen. Ich kann also nach Herzenslust aus dem riesigen Kuchen die Rosinen herauspicken, und es bleibt noch genug für die nächste Berlinreise als Anreiz übrig.

Wer neugierig geworden ist, zwischen welchen Aktivitäten wir die Wahl haben, der kann gerne den oben angegeben Links folgen. Wer sich lieber überraschen lassen möchte, dem muss vorerst die Aussicht genügen, dass ich auch über die Reise selbst berichten werde. Meine Leser bitte ich jetzt mich zu entschuldigen. Ich möchte mich nun gern dieser erfreulichen Selektion widmen und sozusagen a priori verreisen. Damit es dann im Juli heißen kann: "Berlin, wir kommen!"

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